Predigt von Pfarrer Daigeler zum 6. Sonntag im Jahreskreis C
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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, ich denke, dass jeder mit unterschiedlichen Motivationen zum Gottesdienst kommt. Der eine kommt, weil für ihn der sonntägliche Kirchgang fester Bestandteil seiner Frömmigkeit ist. Ein anderer kommt, weil er sich innerlich sagt: „Heute wäre das gut.“ Vielleicht ist jemand anderes einfach da, weil für einen lieben Menschen das Gebetsgedenken der Messe ist. Und es gibt noch andere Motivationen.
Gleichzeitig gibt es auch Dinge, die einen verunsichern können. „Was du gehst noch in die Kirche?“, fragt uns jemand. Es gibt Nachrichten, die uns traurig machen. Es gibt Debatten in der Kirche, wo man manchmal den Eindruck gewinnen könnte: War das alles falsch, was wir bisher gehört und geglaubt haben? Ist die Glaubenslehre bloße Erfindung, die je nach Zeit verändert werden kann oder soll?
Und da hören wir die provozierenden Schrifttexte dieses Sonntags. Der Prophet Jeremia unterscheidet deutlich zwischen dem „Vertrauen auf Menschen“ und dem „Vertrauen auf Gott“. Und Jesus nennt einige „selig“, anderen droht er mit einem „Weh euch“. Wie soll man damit umgehen? Was soll uns das sagen?
Schauen wir noch einmal in das Evangelium. Es ist genommen aus der „Feldrede“, wie sie bei Lukas genannt wird. Ähnlich der „Bergpredigt“ bei Matthäus, doch ein wenig härter, so klingt es. Doch sie kommt damit – wenn wir den Exegeten glauben – der Originalpredigt Jesu wohl recht nahe. Ja, das muss man wohl zuerst festhalten: Jesus „kuschelt“ nicht nur, er spricht immer wieder Worte, die herausfordern, die in Frage stellen, die zur Unterscheidung führen.
Dennoch wäre es zu einfach nur herauszulesen: Es gibt die Guten und die Bösen, die Gerechten und die Sünder… Eigentlich müssten wir das ganze Kapitel lesen und nicht nur ein paar Verse. Dann würde deutlicher, dass es unterschiedliche Adressatenkreise gibt: die erwählten Apostel, die „große Schar“ der übrigen Jünger wie im heutigen Abschnitt oder die vielen hörbereiten Menschen. Und hier „dosiert“ Jesus durchaus.
„Viele Menschen“ dürfen zunächst seine heilende Nähe erfahren. Der Herr schickt keinen weg. Ganz besonders den Kranken schenkt Jesus Zuwendung. Bevor er sich schließlich denen zuwendet, „die ihm zuhören“ und ihnen allgemein gültigen Rat und Weisung gibt, spricht Jesus – in einem Zwischenschritt – zur „Schar“ der Jünger. Ihnen verheißt er Gottes Trost in allen Schwierigkeiten: Armut, Hunger Verfolgung. Zugleich nimmt er sie, eben weil sie seine Jünger sind, auch radikal in die Verantwortung. Man kann sich nicht ausruhen auf dem „Jüngersein“, dem Christsein, indem man reich, bequem, satt oder bei allen beliebt sein will.
Wir sehen sehr schön: Gottes Zuwendung und Heil gilt zunächst einmal allen Menschen. Zu allen ist Jesus gesandt, darum muss die Kirche auch allen seine Botschaft ausrichten, seine Liebe in leiblichen und seelischen Nöten konkret erfahrbar machen. Wer ein Christ wird, wer ein Freund, ein Jünger Jesu sein will, an den ist ein höherer Anspruch gestellt. Er darf nicht selbstzufrieden sein. Dafür steht ja die Sattheit, der Reichtum und die Bequemlichkeit, vor denen Jesus warnt. Und wir dürfen auch nicht einfach nur das sagen, was ankommt, für das uns „alle Menschen loben“.
Ich meine, dass uns diese Differenzierung heute immer mehr schmerzhaft bewusst wird. Über lange Zeit galt es der Mehrheit unserer Gesellschaft als zumindest legitimes Ziel, dass man Jünger Jesu sein wollte. Darum durfte auch der Anspruch, der damit einhergeht, benannt werden. Heute ist es nur mehr eine Minderheit, die dieses Ziel überhaupt als erstrebenswert ansieht. Darum erscheint der Anspruch der Jesus-Freundschaft immer mehr Menschen befremdlich oder gar unerhört.
Diese Situation wird sich nicht so schnell ändern. Eher wird sie sich verschärfen. Ich denke, dass müssen wir nüchtern sehen. Und doch braucht es uns nicht verunsichern. Jesus hat sie selbst erfahren, er hat sie seinen Jüngern vorausgesehen, darum enthält seine Botschaft Zuspruch und Mahnung.
Doch halten wir es mit Paulus. Einige in Korinth stellen die Auferstehung, also den innersten Kern der christlichen Botschaft, in Frage. Und der Apostel entgegnet mit großer Klarheit. „Wenn Christus nicht auferweckt worden ist, dann ist euer Glaube nutzlos“. „Nun aber ist Christus von den Toten auferweckt worden“. Von dieser Botschaft gibt es keine Abstriche. Nur in ihrer Fülle birgt sie die ganze Hoffnung. Nur in der Gesamtheit seiner Botschaft kann der Herr uns Trost und „Seligkeit“ schenken. Wie es bereits Jeremia sagte: „Gesegnet der Mensch, der auf den HERRN vertraut, dessen Hoffnung der HERR ist. Er ist wie ein Baum, der am Wasser gepflanzt ist“. Amen.
13.02.2022, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler