Predigt von Pfarrer Daigeler zum 2. Sonntag im Jahreskreis C
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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, wir verwenden das Wort „Wunder“ in verschiedenen Zusammenhängen. Etwas ist „wunderbar“ für uns, wenn es uns besondere Freude bereitet. „Ein Wunder, dass ich noch rechtzeitig angekommen bin“, sagen wir, wenn etwas knapp zuging und wir überrascht bzw. froh sind, dass alles dennoch gut ging… Es liegt auf der Hand, dass der Begriff „Wunder“ im biblischen Sinn etwas Größeres benennt. Dabei sind die Autoren des Neuen Testaments durchaus sparsam mit diesem Wort. Der Evangelist Johannes spricht viel häufiger von „Zeichen“ (semeion), die Jesus wirkt.
Das Evangelium von der Hochzeit zu Kana, das wir eben gehört haben, wird allgemein als das erste Wunder Jesu bezeichnet. Als der heilige Papst Johannes Paul II. die „Lichtreichen Geheimnisse“ als zusätzliche Gesätze für den Rosenkranz einführte, nahm er dabei ausdrücklich die Hochzeit zu Kana auf, bei der sich „Jesus offenbarte“.
In diesem Lesejahr fügt es sich, dass nach dem Dreikönigsfest und der Taufe Jesu nun als drittes Evangelium die Hochzeit in Kana gelesen wird. Seit alters her werden diese drei Zeichen, obwohl sie an unterschiedlichen Orten und zu unterschiedlichen Zeiten im Leben Jesu stattgefunden haben, zusammen gesehen. Denn immer geht es um die „Offenbarung der Herrlichkeit“ Jesu, also um das Zeigen und Erkennen seiner Gottheit.
Aber noch einmal die Frage, was ist denn ein Wunder? Es sind gute Dinge, die durch Gottes Macht gewirkt werden. „Macht“ (dynamis) ist das griechische Wort, das im Neuen Testament auch für „Wunder“ verwendet wird, um auf den Ursprung des Geschehens hinzuweisen: Es kommt von Gott. Dass er der Urheber ist, unterstreicht die Bibel in Bildern. Heute ist es das Bild einer Vermählung, sowohl in der alttestamentlichen Lesung als auch im Evangelium. Heiraten kann man nicht allein, nicht sich selbst. Was zunächst vielleicht banal klingt, ist es nicht. Viele Menschen sind der Meinung, alles selbst zu können, alles selbst erreicht zu haben in ihren Leben… Sie meinen, keinem etwas zu verdanken, das hindert sie oft am Glauben. Unsere Epoche ist insgesamt vielfach der Meinung, der Mensch könne alle Probleme selbst lösen – durch noch mehr Forschung, Fortschritt und Selbstbestimmung…
Oft ist das Scheitern an dieser Überschätzung und Überforderung tragisch. Menschen werden seelisch krank. Der biblische Glaube an Wunder ist keineswegs naiv. Es geht nicht darum, dass Gott alle Probleme wegzaubern würde. Die „Stunde“ Jesu, wie es im Evangelium hieß, ist seine Kreuzigung. Das Kreuz und die Auferstehung ist das größte Wunder überhaupt und doch ist es ganz anders, als wir es uns ausmalen würden. Als Menschen würden wir doch wie Jesus am Ölberg bitten: „Lass diesen Kelch an mir vorüber gehen.“
Das Wunder, das Gott wirkt, ist anders. Denn Gottes Wunder sind außergewöhnlich, sie übersteigen alle Erwartungen. Und doch knüpfen sie stets an unsere konkrete Wirklichkeit an, an unsere schwache Natur. Sie können körperlich und geistig wahrgenommen werden: Gesehen, gefühlt und geschmeckt. „Wasser wird zu Wein“. Der Vater lässt den Sohn selbst im Tod nicht fallen. Und die Jünger dürfen den Auferstandenen sehen, seine Wunden berühren und mit ihm essen.
Der Evangelist Johannes weist bereits im ersten Wunder Jesu auf dessen Tod und seine Auferstehung hin. Im vollständigen Text beginnt der heutige Abschnitt mit den Worten: „Am dritten Tag fand … eine Hochzeit statt“. Jesus wirkt keine Spektakel, um die Menschen zu beeindrucken oder zu blenden. Es sind „Zeichen“, um zu zeigen, wer er ist. Er „zeigte“ ihnen seine Herrlichkeit, heißt es am Ende des Abschnitts und seine Jünger glaubten ihm.
Wie die Weisen aus dem Morgenland ein Kind im Stall sehen und in diesem „Zeichen“ Gott erkennen, wie die Menschen am Jordan einen Menschen unter vielen ins Wasser steigen sehen und durch die Stimme vom Himmel schließlich dem Sohn Gottes folgen, so sollen die Jünger – und mit ihnen auch wir – im Übermaß des Festes die Freude entdecken, die von Gott kommt, das Leben in Fülle, das in Jesus zu finden ist. Amen.
16.01.2022, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler