Predigt von Pfarrer Daigeler zum Weißen Sonntag
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Liebe Erstkommunionkinder, liebe Schwestern und Brüder im Herrn, der Apostel Thomas spricht eine ganz normale Bitte aus: Ich will auch sehen, was die anderen gesehen haben. Wenn ich Jesus nicht mit meinen eigenen Augen gesehen habe und mit meinen eigenen Händen angefasst habe, dann glaube ich nicht, dass er von den Toten auferstanden ist, sagt er.
Thomas war ein enger Freund Jesu, ein Apostel, wie wir sagen. Und man kann all das als eine Geschichte ansehen, die fast 2000 Jahre alt ist. Vielleicht machen das auch einige heute in der Kirche so. Eine alte Geschichte… Und damit ist es für sie abgeschlossen und abgehakt.
Für mich finden sich in der Bibel immer Fragen, die auch ich mir heute stellen kann – und Antworten, die auch uns betreffen. Es ist ja ganz normal, dass man etwas sehen will, um es zu begreifen. Wir schauen uns um in der Welt und lernen so die Dinge kennen und verstehen. Nun ist es aber auch so, dass man nicht alle wichtigen Dinge sehen kann. Darum haben wir Zeichen. Sie sind wichtig, um etwas zu zeigen und auszudrücken. Man kennt das beispielsweise aus dem Straßenverkehr, da gibt es Schilder, die zeigen: Auch wenn Du es nicht auf den ersten Blick siehst, hier musst Du aufpassen. Hier ist eine gefährliche Kurve, hier musst Du langsam gehen oder mit dem Fahrrad fahren…
Es gibt natürlich nicht nur Zeichen, die uns warnen. Es gibt auch Zeichen, die uns Freude machen. Auch Geschenke sind nämlich Zeichen. Sie sagen mehr, als man sehen kann. Sie sagen: Ich mag Dich gerne. Ich freue mich, dass es Dich gibt…
Manchmal basteln wir zum Beispiel selbst Geschenke, um dem anderen eine Freude zu machen. Zum Beispiel malt ein Kind ein Bild für die Mutter als Geschenk. Und wenn die Mama sich freut über das Bild, dann liegt das nicht nur an etwas, dass man mit den Augen sehen kann. Es geht nicht nur darum, ob alle Farben gut gewählt sind, ob jeder Strich richtig gesetzt ist. Die Mutter freut sich, weil in dem Bild mehr steckt. Es ist ein Zeichen für die Liebe. Die Mama freut sich, weil sich das Kind Zeit genommen hat, weil es beim Malen an die Mutter gedacht hat.
Diese Liebe und Aufmerksamkeit kann man nicht sehen oder anfassen, aber sie steckt dennoch drin in dem Bild. Darum macht das Bild Freude. Darum ist es ein Geschenk.
So können wir vielleicht auch den Grund für das große Fest der Ersten heiligen Kommunion verstehen. Auch Jesus nimmt für seine Liebe Zeichen. Am Gründonnerstag konnten wir in der Messe davon hören. Jesus nimmt Brot und Wein, um seinen Freunden zu zeigen, wie lieb er sie hat. Jesus denkt in Liebe an seine Jünger, als er das Brot bricht und ihnen gibt. Er schenkt ihnen seine ganze Aufmerksamkeit, ja er verschenkt sein Leben: „Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird“ am Kreuz. Und das gebrochene Brot wird zum Zeichen für dieses unfassbare Geschenk, für diese unermessliche Liebe Jesu.
Natürlich gibt es doch einen Unterschied zum Bild, das Du vielleicht für Deine Mutter malst, und dem Brot, das Jesus den Jünger gibt. Weil Jesus Gottes Sohn ist, ist seine Liebe eben viel größer als die unsere. Sie ist unendlich groß, darum sind in die Liebe Jesu auch alle Menschen, an allen Orten und zu allen Zeiten eingeschlossen. Darum erreicht diese Liebe nicht nur die Jünger damals im Abendmahlssaal, sondern auch uns hier und heute.
Und diese Liebe ist so groß, dass sie ein echtes Wunder bewirkt: das Wunder der Wandlung. Das Brot wird gewandelt zum Leib Christi. Das kann man nicht sehen oder anfassen, und doch ist es wahr. Jesus selbst „steckt“ drin in diesem Brot. Darum ist es kein einfaches Brot mehr. Es ist gewandelt zum Leib Christi, zur heiligen Kommunion. Sie ist das kostbarste Geschenk überhaupt.
Noch einmal, sehen kann man das nicht, nicht einmal schmecken, aber wenn man Jesus liebt, versteht man es doch. Mit dem Herzen sehen wir ihn. Und wissen, er, Jesus, kommt zu mir – durch das Zeichen des Brotes, aber doch wirklich und wahrhaft. Amen.
16.04.2023, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler