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Predigt von Pfarrer Daigeler zum 17. Sonntag im Jahreskreis C

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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, in den römischen Katakomben finden sich Freskomalereien, die Christen betend darstellen. Sie zeigen sie in der sogenannten Orantenhaltung. „Orante“ kommt vom lateinischen Wort „orare“, das eben „beten“ bedeutet. Wie sieht diese Haltung aus? Der Beter erhebt die ausgestreckten, leeren Hände zum Himmel. Heute kennen wir diese Haltung vornehmlich beim Priester, wenn er im Namen der kirchlichen Gemeinschaft eines der Messgebete spricht.

An dieser Körperhaltung wird auch eine innere Haltung sichtbar. Wir strecken uns aus nach Gott, ganz eindringlich, so wie es Jesus seine Jünger im eben gehörten Evangelium lehrt. Die alltäglichen Beispiele, die Jesus anführt, erstaunen zunächst in ihrer Zudringlichkeit, aber sie sind auch Ermutigung: Wir dürfen alles vor Gott bringen, wir dürfen an sein Herz klopfen, wir dürfen ihn „bedrängen“ mit unseren Bitten. Diese Ermutigung dürfen wir den Worten Jesu entnehmen und ebenso dem Bittgebet des Abraham im Buch Genesis, der mehrfach ansetzt, um für die Menschen in Sodom und Gomorra und für ihre Rettung zu bitten.

Natürlich zeigt uns die Orantenhaltung noch mehr. Es sind leere Hände, die wir dem Herrn entgegenstrecken. Vielleicht fällt das Beten unserer Zeit oft so schwer, weil es uns schwer fällt, unsere eigenen Grenzen und Schwächen anzuerkennen und einzugestehen. Doch wir stehen als Bettler vor Gott. Der heilige Paulus legt den Kolossern in seinem Brief eine Theologie der Gnade Gottes vor. Aus eigener Kraft, sagt der Apostel, sind wir dem Tod verfallen. Wir können nicht selbst der Sünde entrinnen. Doch Christus ist am Kreuz an unsere Stelle getreten. So hat er den „Schuldschein durchgestrichen“ und uns erlöst. Von diesem Wissen, dass wir von Gottes Gaben leben, dass wir von seiner Liebe und Barmherzigkeit leben, muss christliches Beten durchdrungen sein. Wir halten ihm unsere leeren Hände entgegen in dem festen Vertrauen, dass er sie füllen kann.

Schließlich leert uns das Gebet Jesu noch ein Drittes. Jesus antwortet ja auf die Bitte seiner Jünger „Herr, lehre uns beten“ nicht mit einem theoretischen Vortrag. Er lehrt sie ein konkretes Gebet, das Vaterunser. In knappen Worten hat es uns der Evangelist Lukas überliefert: Die Bitte um das Kommen des Gottesreiches, die Bitte um das Brot für den heutigen Tag, die Bitte um die Vergebung der Schuld und die Bitte um Kraft in der Versuchung. Keinen Tag soll es geben, an dem wir nicht dieses Gebet des Herrn sprechen. Aber dieses Gebet enthält in seiner Form auch eine wichtige Weisung Jesu. Es ist ganz im Plural formuliert. Nicht „mein“ sondern „unser Vater“, nicht „mir“ sondern gib „uns“ das Brot… Christliches Beten darf nicht individualistisch sein. Wo ich die Not meines Nachbarn übersehe, wird mein Gebet nicht erhört werden. Hier brauche ich immer wieder Gewissenserforschung: Wie bete ich? Und wer hat Platz in meinem Gebet?

Das Heil, das Reich Gottes, erlangen wir nur in der Gemeinschaft, nicht allein. Darum hat der Herr ja die Kirche gegründet, damit wir einander auf diesem Weg stützen durch Gebet und Tat, damit wir für einander und für andere beten – auch für die, die das Beten nicht gelernt haben oder es aufgegeben haben. „Keiner rettet sich alleine“, sagt unser Heiliger Vater. Und so lehrt uns das Gebet Jesu. Wir dürfen und sollen eindringlich beten und unsere Bitten vor Gott bringen. Tun wir das im Wissen, dass wir keine Leistung vorweisen können, und im festen Vertrauen, dass er unsere leeren Hände füllen kann, dann wird er uns hören. Beten wir in Gemeinschaft, dann hat unser gemeinsamer Vater im Himmel Freude daran, seine Kinder zu hören. Amen.

24.07.2022, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler

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