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Predigt von Pfarrer Daigeler zum 25. Sonntag im Jahreskreis B

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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, „durch Erniedrigung und Folter wollen wir ihn prüfen … und seine Widerstandskraft auf die Probe stellen“. Diese harte Drohung hörten wir in der Ersten Lesung. Das Weisheitsbuch schildert, wie Menschen jemanden zum Schweigen bringen wollen, der unbequem ist, der Handlungsweisen hinterfragt, der an Gott erinnert. Menschen herabzusetzen oder gar zu bedrohen, ist leider keine Sache der damaligen Zeit. Es ist erschreckend aktuell.

Ein paar Beispiele: Offensichtlich kommt es immer wieder vor, dass Mitschüler besonders in den sozialen Medien herabgesetzt, ausgegrenzt oder gemobbt werden. Oder auch in der Debatte über Verantwortungsträger in der Kirche und in der Politik werden gerne pauschale Urteile gefällt: „Die sind alle unfähig, korrupt oder gar Verbrecher…“ Im Zusammenhang einer Diskussionssendung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen rühmten sich sogenannte Klimaaktivistinnen auf Twitter, dass sie geübt hätten, um einen Kanzlerkandidaten – wie sie es sagten – „fertig zu machen“…

Wo „Eifersucht und Streit herrschen, da gibt es Unordnung und böse Taten jeder Art“, sagt der Jakobusbrief. Natürlich braucht es Auseinandersetzungen. Das gilt für die Gesellschaft, für die Politik und auch für die Kirche. Ich bin nicht der Meinung, dass es weiterhilft, eine „Harmonie-Soße“ über alles zu gießen. Eben dadurch dass verschiedene Menschen und Meinungen zu Wort kommen, gelingt oft ein tieferes Verstehen von Problemen. Ich kann auf einmal einen Aspekt sehen, der mir vorher gar nicht bewusst war, der aber auch mitbedacht werden sollte.

Doch echtes Verstehen ist nicht voraussetzungslos. Die Jünger verstehen die Worte Jesu nicht. Der Evangelist Markus hält das ausdrücklich fest. Jesus spricht über seine Verhaftung und seinen Tod und ebenso über seine Auferstehung. Was das bedeuten soll, verstehen seine Jünger nicht. Leben im Tod? Auferstehung…? Das haben sie noch nicht gehört. Doch sie zögern nachzufragen. Sie wollen nicht als „dumm“ dastehen. Doch ohne dieses Nachfragen, ohne das Anliegen, den anderen überhaupt zu verstehen, gelingt keine Erkenntnis.

Jesus stellt nun ein Kind in die Mitte. Er weiß um die Gedanken seiner Jünger und er will ihnen zeigen, wie Verstehen gelingen kann. Für Kinder ist es eine normale Erfahrung, vieles nicht oder noch nicht zu verstehen. Immer wieder erleben sie das, wenn Erwachsene sprechen oder handeln. Doch ein Kind scheut sich nicht zu fragen: „Was bedeutet das? Warum tust du das?“ Ein Kind hat die Demut, die es für jedes Lernen, für jede Erkenntnis und darum auch für den Glauben braucht. Die Demut anzuerkennen: „Ich weiß nicht alles. Ich kann nicht alles. Ich bedarf immer auch des anderen.“

Das ist meines Erachtens der Knackpunkt. Unsere Welt ist voll von Menschen, die sagen: „Ich weiß Bescheid. Mir braucht keiner etwas zu erzählen…“ Jesus will uns aber die Verwiesenheit auf den anderen lehren – die Verwiesenheit auf den anderen Menschen und ebenso die Verwiesenheit auf Gott. Erst wo ich das anerkenne, gelingt Verstehen in der Gesellschaft und in der Kirche. Erst in dieser Haltung, die sagt, dass keiner sich alleine rettet, gelingt das Leben.

Wir brauchen niemanden herabzusetzen. Vielmehr brauchen wir stets den anderen, damit auch mein Leben gelingt, damit das gemeinsame Leben gelingt. Wir brauchen einander und wir brauchen Gott. Ihn können wir nur in der Haltung des kindlichen Vertrauens finden. Doch seine Kinder zu sein, ist die größte Freiheit und das tiefste Glück, das zu finden ist. Amen.

19.09.2021, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler

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