Predigt von Pfarrer Daigeler zum 3. Fastensonntag (Lesungen vom Lesejahr A)
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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, „verhärtet euer Herz nicht wie in Meríba, wie in der Wüste am Tag von Massa.“ Diese Worte aus dem Psalm 95 beten Priester und Ordensleute an jedem Morgen als Beginn des Stundengebetes. Wir haben diese Worte heute zwischen den beiden Lesungen als Antwortpsalm gehört. Nun kann man die Psalmworte als eine historische Erinnerung sehen an das, was wir in der Ersten Lesung gehört haben. Die Israeliten sind zwar aus Ägypten befreit, aber ihr langer Weg durch die Wüste macht sie müde. Sie sind erschöpft, sie sind durstig. Und da ist es doch nur verständlich, dass sie nach Wasser schreien.
Durst ist ein Grundbedürfnis des Menschen. Ohne Wasser verdursten wir, ohne Wasser kein Leben. Darum ist es normal, dass die Frau, von der wir im Evangelium hörten, Wasser schöpfen will. Ja, zugegeben, sie kommt zu einer ungewöhnlichen Zeit. In der Mittagshitze geht man in den heißen Ländern des Orients nicht aus dem Haus, so es nicht unbedingt nötig ist. Der Evangelist Johannes nennt aber auch den Grund: Die Frau möchte niemandem begegnen, nicht komisch angeschaut oder angesprochen werden, denn ihr Lebensstil ist anstößig.
Offenkundig hält das Jesus nicht ab, die Frau anzusprechen. „Gib mir zu trinken“, bittet er sie. Hier begegnet uns etwas sehr Wichtiges von der Art, wie Jesus handelt. Weder erklärt er zunächst der Frau, was sie beachten solle oder was in ihrem Leben falsch läuft. Nein, und darum ist die Frau auch so irritiert, Jesus fragt sie, was sie ihm geben kann.
Im Schulunterricht lerne ich immer etwas von den Kommunionkindern durch ihre Fragen. Ich hoffe freilich, dass die Kinder auch etwas von mir lernen. In der letzten Woche haben wir über das Wunder der Brotvermehrung gesprochen. Auch hier fragt Jesus zuerst seine Jünger, was sie zu geben haben. Und als sie geben, was sie haben – und mag das noch so wenig scheinen, bloß fünf Brote –, erst dann wirkt Jesus das Wunder. Die Frau am Jakobsbrunnen hat keine Brote. Der Evangelist erzählt uns nicht einmal, ob sie nun Jesus tatsächlich Wasser gegeben hat. Sie ist so erstaunt, dass Jesus überhaupt mit ihr spricht. Und doch gibt sie ihm etwas, ohne das er nichts bewirken könnte: Ihr Vertrauen.
Hört auf die Stimme des Herrn, verhärtet nicht euer Herz! Das ist die tägliche Bitte aus dem Psalm. Die Frau am Jakobsbrunnen zeigt uns, was das bedeutet und was es bewirken kann, wenn ein Mensch sein Herz nicht verhärtet, sondern öffnet.
Gar nicht wenige Menschen geben sich zufrieden, wenn ihr Durst gelöscht wird. Sie vermissen nichts ohne den Glauben, ohne die Kirche, auch nicht ohne Jesus. Es gibt zahlreiche Brunnen, aus denen sie schöpfen können. Darum ist es nicht einfach, die Herzen dieser Menschen zu erreichen. Nicht diese oder jene Strategie wird dabei helfen.
Den Schritt, das zu geben, was ich habe, kann mir keiner abnehmen – nicht einmal Jesus. Und doch oder vielleicht darum ist er uns längst entgegengekommen, wie wir im Römerbrief hörten. Gott hat seine Liebe schon verschenkt, als wir noch gottlos waren, als wir ihn noch gar nicht kannten. Der Glaube öffnet uns den Zugang zu eben dieser Liebe, sagt der heilige Paulus. Was für eine Hoffnung!
In jener Stadt kamen viele „zum Glauben an Jesus auf das Wort der Frau hin“, schreibt der Evangelist. Teilen auch wir unsere Hoffnung, damit viele ihre Herzen für Jesus, das lebendige Wasser, öffnen. Amen.
23.03.2025, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler