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Predigt von Pfarrer Daigeler zum Fest der Heiligen Familie

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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, unser Leben kennt Regeln. Wir halten sie meist in unterschiedlicher Weise ein. Das kommt ein wenig auf das eigene Naturell an: Der eine ist strenger, der andere „großzügiger“. Es kommt aber auch auf den Bereich an, ob etwa bei Übertretung eine Strafe zu erwarten ist oder nicht. Und schließlich kommt es darauf an, ob die Regel plausibel erscheint. Das heißt, ob sie mir sinnvoll erscheint, ob sie für mich schlüssig ist.

Vielleicht dazu zwei Beispiele, ohne zu sehr provozieren zu wollen. Es gibt Kirchengebote wie etwa bestimmte Voraussetzungen für den Kommunionempfang. Da gibt es eine Stunde Nüchternheit, da gibt es die Voraussetzung, dass man selbst katholisch ist oder dass man zwischen einer schweren Sünde und dem Kommunionempfang beichtet… Diese Regeln erscheinen augenscheinlich nicht allen Menschen, ja nicht einmal allen Katholiken plausibel. Und sie entscheiden sich dafür, die Regeln „individuell“ zu beachten oder eben nicht zu beachten. Ein zweites Beispiel ist die gegenwärtige Pandemie. Sie bringt eine Fülle von Regeln. Und nicht wenige tadeln andere, wenn sie sich nicht genau an die Abstandsregeln oder sonstige halten. Einige fordern sogar noch strengere Regeln. Es erscheint ihnen offenkundig plausibel, dass die Einhaltung der Regeln, ihre körperliche Gesundheit schützt. Dass die vorher benannten, geistlichen Regeln der Kirche die seelische Gesundheit schützen könnten, scheint augenscheinlich nicht in gleicher Weise plausibel…

Das Evangelium des heutigen Festes der Heiligen Familie schaut mit uns bereits 40 Tage voraus, zur Darstellung des Herrn. Vermutlich geht es weniger um die Opferhandlung Maria und Josefs im Tempel, als um die letzten, beiden Sätze, die davon sprechen, dass Jesus mit den Eltern „nach Galiläa in ihre Stadt Nazaret“ zurückkehrte und dort inmitten einer Familie heranwuchs.

Zunächst erfüllen Maria und Josef aber eine „Regel“. Sie machen sich auf die Wallfahrt nach Jerusalem. Dort haben sie „nach dem Gesetz des Mose“ ein Dankopfer dargebracht, um ihren Erstgeborenen „auszulösen“. Eine Regel, ein Brauch, der uns möglicherweise kaum plausibel erscheint. Und doch sagt er etwas Wichtiges, weit wichtiger als alle menschengemachten Regeln. Er sagt: Unser Leben ist ein Geschenk des Schöpfers, sein Geschenk. Und seine Gabe ist es auch, dass wir Freiheit haben und eine Heimat. Nichts davon ist selbstverständlich. An dieses Verdanktsein erinnerten sich die Juden mit dieser Regel und diesem Brauch. Dass sie aus Ägypten, aus der Sklaverei befreit worden waren, dass sie ein Land bewohnen dürfen, dass war ihnen Grund zur Dankbarkeit.

Das heutige Fest lädt uns ein zu dieser Dankbarkeit. Wir dürfen dankbar sein für das Geschenk unserer Familie. Wir dürfen dankbar sein für das Geschenk, dass wir Teil der Familie Gottes, also Teil seiner Kirche, sind. Dass das nicht nur etwas Fröhliches ist, weiß wohl jeder aus seiner eigenen Erfahrung. Das gilt für beide „Familien“. Die Lesungen aus dem Alten und dem Neuen Testament sprechen davon. Sie versuchen eine Ordnung zu entwerfen, sowohl Jesus Sirach als auch Paulus. Sie sprechen in der Sprache ihrer Zeit von Regeln. Sie sprechen von gegenseitiger Rücksichtnahme, aber auch von Unterordnung um einer größeren Sache willen. Und Paulus sagt das wichtige Wort: „Ertragt einander“ Vergebt einander und „bekleidet euch mit … Güte, Demut, Milde, Geduld“.

Es geht mir nicht darum, diese oder jene Regel zu rechtfertigen oder zu widerlegen. Doch es liegt auf der Hand, dass es Regeln und Gewohnheiten braucht, wenn Zusammenleben in einer Gemeinschaft, in der Kirche und in einer Familie gelingen soll. Die Heilige Familie ist uns darin Vorbild. Nicht weil in ihrem Leben alles glatt verlaufen ist, nicht weil sie froh über alle staatlichen Verordnungen waren, wenn sie gezwungen waren nach Betlehem zu ziehen… Doch sie zeigen uns den Weg zum gelungenen Leben: Der treue Dienst und die Haltung des Verdanktseins. Wir verdanken vieles in unserem Leben anderen, wir verdanken immer etwas einander in der Familie und in der Kirche. Wir verdanken unser Leben und alles Gute dem Schöpfer. Amen.

27.12.2020, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler

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