Predigt von Pfarrer Daigeler zum 29. Sonntag im Jahreskreis B
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Liebe Brüder und Schwestern im Herrn, in manchen innerkirchlichen Diskussionen ist die Rede von „denen, da oben“, von der „Amtskirche“… Andere kritisieren das, was sie als „klerikale Macht“ wahrnehmen oder bezeichnen. Natürlich wird unter diesen nicht näher definierten Begriffen Verschiedenes verstanden oder missverstanden. In den meisten Fällen geht es im Kern darum, dass man sich nicht von anderen darüber Vorschriften machen lassen will, wie der Glaube auszulegen sei – auch nicht von einem Papst, einem Bischof oder einem Priester. Wir leben ja in einer Epoche, in der Normen oder Regeln nicht mehr „einfach“ deshalb gelten, weil sie von der zuständigen Instanz erlassen wurden. Sofern das jemals so war, heute ist es nicht mehr so. Das ließe sich an Gesetzen und staatlichen Vorschriften, und das lässt sich noch deutlicher an kirchlichen Geboten zeigen.
Liegt es nun nicht nahe das eben gehörte Evangelium als Begründung für eben diese Haltung heranzuziehen? Sagt nicht Jesus, dass seine Apostel – und damit auch deren Nachfolger im geistlichen Amt – nicht zu herrschen, sondern den Menschen zu dienen haben?
Natürlich sagt er das. Und das zweifelhaft. Doch was meint er damit? Versteht Jesus unter „Dienen“, dass wir jedem Anliegen nachgeben oder jeden Wunsch erfüllen sollen?
In vielen Ländern und Sprachen wird der Priester als „Vater“ („father“, „pere“) angesprochen. Im Deutschen ist alles amtlicher und formaler, darum sagen wir „Pfarrer“. Aber kommen wir nochmal auf das Bild des Vaters zurück. Ein guter Vater stellt sich in den Dienst seiner Familie – durch seine Arbeitskraft, durch seine Sorge und Liebe, durch seine Treue… Er wird aber auch an unbequeme Wahrheiten erinnern müssen – gerade aus Liebe, gerade als Dienst. Und die Geistlichen sollen das in der Kirche tun, weil sie klüger oder besser wären als irgendein Gläubiger. Sie tun das, weil sie an das Evangelium gebunden sind. Ihr Dienst ist es das Wort Christi zu verkünden. Ihr Dienst ist, immer wieder an die Bindung an Christus zu erinnern, die wir durch unser Christsein eingegangen sind. Jeder ist freiwillig in der Kirche. Aber in der Kirche zu sein, Christ zu sein, ist nicht unverbindlich. Es ist eine Bindung an Jesus Christus. Denn er ist unser wahrer Meister. Er ist der Weg, auf dem das Leben gelingt.
Nun wird man zu Recht einwenden können: Aber woher wissen wir denn, was der Wille Jesu ist? Oftmals verstehen unterschiedliche Christen ein und dieselbe Bibelstelle ja in unterschiedlicher Weise.
Nun haben wir ja nicht nur einzelne Worte Jesu gleich einer Textsammlung. Wir glauben nicht einzelnen Worten, wir glauben einer Person. Jesus selbst greift das Wort aus dem Buch des Propheten Jesaja auf. Dort ist die Rede von einem „Gottesknecht“, der geschlagen wird und vieles zu erleiden hat. Er hat das zu erleiden, weil der Gottesknecht dem Auftrag Gottes treu bleibt. Seine Treue wird auf eine harte Probe gestellt. Doch durch seine Hingabe wird der „Plan des Herrn gelingen“, heißt es in der Schrift. Und Jesus deutet mit Hilfe dieser Worte seinen eigenen Weg. Trotz Schmähungen, Spott und Gewalt weicht Jesus nicht ab vom Weg Gottes. Diesen Weg geht der Meister uns seinen Jüngern voraus.
Applaus ist kein Kriterium für den Glauben. Uns ist es aufgetragen Jesus in Treue nachzugehen. Und den Geistlichen ist es aufgetragen, an diesen Weg zu erinnern, auf diesem Weg zu ermutigen – keine spektakulären Alternativen zu entwerfen, sondern Mut zu Treue zu geben.
Natürlich kennt der Herr auch unsere Schwachheit. Wir haben es im Hebräerbrief, in der Zweiten Lesung gehört. Jesus kennt unser Mühen, unsere Ohnmacht und auch unser Scheitern. Doch er will uns helfen – besonders durch die heilige Kommunion und die Beichte – immer wieder aufzustehen und weiter zu gehen. Amen.
17.10.2021, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler