Predigt von Pfarrer Daigeler zum 33. Sonntag im Jahreskreis B
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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, müssen wir solche Worte Jesu überhaupt ernst nehmen? Können wir nicht einfach weiterblättern im Evangelium? Gewiss sind das Bilder, aber was sie bezeichnen ist sehr real. „Himmel und Erde werden vergehen.“ Nicht nur der heutige Volkstrauertag erinnert uns an die Schrecken des Krieges, die ja leider nicht der Vergangenheit angehören. Werden für diese Menschen nicht wahrhaft Himmel und Erde erschüttert? Oder manche machen sich große Sorgen über die Veränderung des Klimas. Wenn wir die Bilder aus Spanien gesehen haben, wo ein Sturzbach ganze Häuser weggerissen hat. Werden für diese Menschen nicht Himmel und Erde erschüttert?
Aber das kann es auch im persönlichen Leben geben. Wenn durch den Verlust der Arbeit oder durch eine Trennung alles, was man sich aufgebaut hat, genommen wird. Oder wenn jemand die Diagnose einer schweren oder gar tödlichen Krankheit erfährt... Ich denke, es braucht nicht mehr Beispiele, um zu zeigen, wie real die Worte des Evangeliums sind.
Aber unsere Frage als Christen ist natürlich: Welche Antwort gibst du uns, Jesus? Was sagst du uns, wenn der Himmel und Erde unserer kleinen oder großen Welt erschüttert werden?
Gerne hätten wir ein Rezept mit einem Medikament, das wir bloß einzunehmen brauchen, und das Problem würde sich lösen. Oder ein Formel, die wir mit technischer Hilfe berechnen könnten. Aber das finden wir nicht im Evangelium.
Jesus erinnert uns an unsere Grundberufung. Und die heißt in seinen Worten Wachsamkeit. Wir dürfen sie auch als Vertrauen, als Gottvertrauen bezeichnen. „Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen“, sagt der Herr. Hier geht es nicht um Naivität. So als würden wir meinen, durch den Glauben blieben wir vor allem verschont. Dem widerspricht unsere eigene Erfahrung. Nein, es geht um Orientierung. Der Glaube an Christus schenkt uns Orientierung, wenn alles drunter und drüber geht. Wenn das Koordinatensystem von Himmel und Erde erschüttert oder auf den Kopf gestellt wird, gibt ER uns festen Halt. Der Glaube lässt uns weiter schauen, als diese Welt es kann. Wir wissen durch den Herrn, dass sein Reich der Gerechtigkeit und des Friedens längst begonnen hat und dass wir Erben dieses Reiches sind. Keine Not, keine Krankheit, keine Macht dieser Welt kann uns das nehmen.
Das entbindet uns nicht von unseren täglichen Aufgaben. Das entlässt uns nicht aus dem Durchstehen mancher Krise, aber es gibt uns die Kraft und die Zuversicht, die es dafür braucht.
Lassen Sie mich das mit einem Beispiel verdeutlichen. Die heilige Edith Stein, ein deutsche Jüdin, die zum katholischen Glauben fand und Ordensfrau wurde, wurde von den Nazis verhaftet. Mit Hunderten von Juden wurde sie in Viehwagons nach Auschwitz deportiert. Augenzeugen berichten von ihrer Stärke und Gelassenheit. In dieser katastrophalen Situation vernachlässigten selbst Mütter ihre Kinder, Edith Stein nahm sich vieler Mitmenschen an und tröstete sie. Das grausame Schicksal ihres Volkes blieb ihr nicht erspart. Aber die Märtyrin ging in der Stärke, die nur der Glaube gibt, in den Tod.
Gewiss ein außergewöhnliches Beispiel, darum ist sie ja eine Heilige. Aber auch wir dürfen uns in schweren Stunden an die Worte Jesu erinnern: Wenn ihr all das geschehen seht, dann richtet euch auf und erhebt euer Haupt, denn eure Erlösung ist nahe! Amen.
17.11.2024, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler