Predigt von Pfarrer Daigeler zu Allerseelen
2 Makk 12,43-45; 1 Thess 4,13-18; Joh 11,17-27
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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, der Allerseelentag stellt uns ein ernstes Thema vor. Wer redet gerne über den Tod? Manche verdrängen das Thema Sterblichkeit gänzlich; andere können es zwar benennen, aber es ist dennoch nicht leicht. Wie sollte das auch anders sein? Anzuerkennen, dass meine Lebenszeit begrenzt ist, dass ich einmal alles, was ich hier aufgebaut habe, zurücklassen muss, dass ich die Menschen, die mir lieb sind, loslassen muss… Sagen wir es offen: Das ist für keinen Menschen einfach, auch nicht für gläubige Menschen.
Das Verdrängen der Wirklichkeit ist zwar eine verbreitete Methode, dennoch glaube ich nicht, dass es uns weiterhilft. Der christliche Glaube ist hier ehrlich. Das eindrucksvolle Evangelium, das uns von Jesus und den beiden Schwestern Maria und Martha erzählt, belegt das. Hier wird zunächst offen die Trauer benannt. Sowohl die beiden Schwestern sind bestürzt über den Tod ihres Bruders, als auch Jesus weint über den Tod seines Freundes Lazarus. Der Glaube nimmt uns nicht heraus aus den Herausforderungen und Zumutungen dieses Lebens. Wir sind in diese Welt gestellt mit ihren Chancen und Grenzen. Uns ist dieses Leben geschenkt mit unseren Möglichkeiten und Gebrechlichkeiten. Der christliche Glaube ist realistischer als die heute beworbenen Weltanschauungen, die verheißen, man könne mit Lifestyle, Medizin, Sport oder sonst irgendwas seiner Endlichkeit entkommen. Auch bei wachsendem, technischem Fortschritt bleibt das Ende immer das gleiche.
Jesus gibt im Evangelium eine andere Antwort – mit Worten und mehr noch mit seinem eigenen Leben. „Ich bin die Auferstehung und das Leben, glaubst du das?“, fragt er Martha. Nicht in unseren eigenen Vermögen oder in unseren Fähigkeiten liegt die Rettung, sondern im Wagnis des Vertrauens. Dort, wo meine Kräfte brechen, dort, wo meine Möglichkeiten enden, dort wollen wir unser ganzes Vertrauen auf ihn setzen. Wir dürfen vertrauen, dass er uns trägt, dass er uns hält, dass er uns ein Land aufschließt, das keine Grenze kennt. Damit wir das wagen, hat Jesus nicht nur darüber gesprochen. Er selbst ist uns diesen Weg vorausgegangen. Der heilige Paulus ermutigt die Christen in Thessalonich in diese Richtung zu schauen. „Wenn wir glauben, dass Jesus gestorben und auferstanden ist, so wird Gott die Entschlafenen durch Jesus in die Gemeinschaft mit ihm führen.“ Jesus ist uns den Weg durch die Stunde der Todesangst am Ölberg und das bittere Sterben am Kreuz vorangegangen, damit wir Mut haben, ihm zu folgen. Er ist von seinem himmlischen Vater selbst im Tod gehalten worden. So werden wir, wenn wir uns an Jesus halten, auch in das neue Leben getragen werden. Das ist unsere Hoffnung!
Realismus und Zuversicht, beides zusammen zeigt uns der christliche Glaube. Die Heiligen, die wir gestern gefeiert haben, bezeugen uns das. Bei unserer Wallfahrt nach Belgien haben wir in Löwen auch das Grab des heiligen Damian de Veuster besucht. Dieser Ordensmann ist als junger Priester freiwillig zu den Leprakranken auf der Insel Molokaii gegangen. Er hat keine Kranken körperlich geheilt, vielmehr wurde er selbst Opfer dieser schrecklichen Krankheit. Aber er hat greifbar die Botschaft der Hoffnung bezeugt, dass Gott uns auch in der dunkelsten Stunde nicht im Stich lässt. „Ich bin die Auferstehung und das Leben“, diese Botschaft Christi, hat er nicht nur mit Worten, sondern mit seinem Leben bezeugt. Darum glauben wir, dass er selbst das ewige Leben gewonnen hat.
Nicht jeder kann so leben. Darum beten wir ja heute für unsere Verstorbenen, dass Gott in seiner Barmherzigkeit an ihnen vollenden möge, was offen geblieben ist, wo noch Mangel an Glaube und Liebe in ihrem Leben war. Auch hier sehen wir den Menschen realistisch. Aber wir tun das inmitten der großen Hoffnung unserer Kirche, dass Gott auch uns, seine Kinder, auferwecken wird, so wie er seinen eigenen Sohn Jesus Christus von den Toten auferweckt hat. Amen.
02.11.2025, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler




