Predigt von Pfarrer Daigeler zu Neujahr
Num 6,22-27; Gal 4,4-7; Lk 2,16-21
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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, Papst Franziskus hat in der Weihnachtsnacht im Petersdom die Heilige Pforte geöffnet. Normalerweise ist dieses Kirchenportal zugemauert. Nur in einem Heiligen Jahr wird diese Tür geöffnet. Symbolisch klopft der Papst an das Tor, dann durchschreitet er es als Erster von zahllosen Pilgern. Dieser äußerliche Vorgang versinnbildlicht einen inneren. Ein verschlossener Weg öffnet sich; ein Ausweg aus einer Sackgasse tut sich auf; ein neuer Anfang wird ermöglicht.
Nun begehen wir als Kirche 2025 ein Heiliges Jahr. Es fällt nicht ganz zusammen mit dem Beginn des Kalenderjahres, den wir heute begehen. Es hat bereits mit dem Weihnachtsfest begonnen, dessen Oktavtag wir heute feiern. Aber warum ist das so?
Die jüdische Philosophin Hanna Arendt (1906-1975) hat die Totalitarismen des zwanzigsten Jahrhunderts gesehen und vor allem die Abgründe, in die gottlosen Diktaturen den Menschen in Kriegen und Konzentrationslagern gebracht haben. Angesichts einer Welt in Trümmern schreibt die Philosophin: „Das Wunder, das den Lauf der Welt und den Gang menschlicher Dinge immer wieder unterbricht und von dem Verderben rettet, ist […] das Geborensein […]. Dass man in der Welt Vertrauen haben und dass man für die Welt hoffen darf, ist vielleicht nirgends knapper und schöner ausgedrückt als in den Worten […]: ‚Uns ist ein Kind geboren‘“
Diese Hoffnungsbotschaft ist der Grund für das Heilige Jahr: „Fürchtet euch nicht, denn ein Kind ist uns geboren“! So haben es die Engel den Hirten verkündet. So bezeugen es Maria und Josef allen, die zur Krippe kommen. Das Heilige Jahr beginnt mit Weihnachten, weil Weihnachten das Fest des neuen Anfangs ist, den Gott selbst gemacht hat. Gott lässt uns Menschen nicht ins Leere laufen. Er hat den Ausweg aus allen Irrwegen und Sackgassen der Geschichte gezeigt, nämlich seinen Sohn Jesus Christus, der Mensch geworden ist, um uns der Weg, die Wahrheit und das Leben zu sein. Was könnte diese Frohe Botschaft deutlicher zeigen als die Geburt eines Kindes. Das Christuskind zeigt uns, dass Gott immer einen neuen Anfang schaffen kann und will. Das Heilige Jahr ruft uns diese Glaubensgewissheit in Erinnerung. Und damit sagt es zugleich: Christsein heißt auch, dass wir selbst immer wieder neu anfangen dürfen. Darum ist das Heilige Jahr eine besondere Einladung, Versöhnung zu wagen – zwischen Völkern und Gruppen, in der Familie, in meinem eigenen Leben, auch durch das Sakrament der Versöhnung.
Wo wir diese Botschaft ausstrahlen, werden wir Missionare sein. Denn wonach sehnt sich unsere Welt mehr als nach Hoffnung, als nach der Möglichkeit der Versöhnung und des Neuanfangs? Unser Heiliger Vater hat uns als Leitwort für dieses Jahr mitgegeben, „Pilger der Hoffnung“ zu sein. Das wäre ein guter Vorsatz für das neubegonnene Jahr: Wir wollen Pilger der Hoffnung sein! Wir wollen Menschen sein, die dem neuen Anfang vertrauen, den Gott selbst uns in seinem Sohn geschenkt hat, die Jesus nachfolgen, die Versöhnung wagen, die Hoffnung teilen.
Der Neujahrstag ist auch der Gottesmutter Maria geweiht. Sie möge uns die Mutter der Hoffnung sein. Sie zeigt uns immer ihr Kind und gibt uns als Rat: „Was er euch sagt, das tut.“ Amen.
01.01.2025, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler