Predigt von Pfarrer zum Jahresschluss 2021
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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, viele Dinge bewegen uns, wenn wir auf das Jahr 2021 zurückschauen – vermutlich vor allem in unserem eigenen Leben: wenn etwa in unserer Familie ein Kind zur Welt kam, ein Paar geheiratet hat oder wir einen Menschen zu Grabe begleitet haben; wenn uns Gesundheit oder Krankheit beschieden war; wenn uns beruflich oder familiär Herausforderungen gestellt wurden, die noch offen sind oder die wir bewältigt haben.
Das gilt auch für das Leben unserer Kirche. Im Weihnachtspfarrbrief finden Sie ja einige Daten zu Taufen, Trauungen, Beerdigungen... Dort ist auch nachzulesen, dass unser Bischof entschieden hat, sogenannte Pastorale Räume zu bilden, in denen mehrere Pfarreien zusammenarbeiten sollen. Viel Zeit wurde auf dieses Projekt verwendet. In unserem Fall wird am 23. Januar der Pastorale Raum „Seliger Liborius Wagner – Schweinfurter Oberland“ errichtet.
Natürlich liegt auch über unseren pfarrlichen Aktivitäten die Corona-Situation. Manches – besonders gemeinschaftsfördernde Veranstaltungen – konnten leider nicht oder nur in deutlich verkleinerter Form stattfinden. Auch die Beteiligung am Gottesdienst hat mancherorts abgenommen. Ordner und ehrenamtliche Helfer haben viel aufgewandt für die Umsetzung von Hygieneregeln. Hierüber gab es immer wieder auch Diskussionen, den einen war es zu streng, den anderen zu lasch…
Beide Beispiele zeigen, worauf wir Energie und Zeit verwenden in der Kirche. Natürlich wäre es naiv zu meinen, es könnte eine Kirche ohne Organisationsstruktur geben oder es könnte Zusammenkünfte ohne Regeln geben. Aber mehr noch als die zusätzliche Arbeitsebene, die uns die Diözese mit dem „Pastoralen Raum“ beschert, mehr als die ermüdenden Diskussionen über Corona bewegt mich die Frage, wie es überhaupt weitergeht mit dem kirchlichen Leben.
Wir erleben seit über 60 Jahren einen Rückgang an Beteiligung am Gottesdienst und am kirchlichen Leben. Eine Entwicklung, die ohnehin in Gange war, ist nun durch Corona verstärkt worden. Zu meinen, dass Menschen, die inzwischen bald zwei Jahre nicht mehr kommen, „nach“ der Krise wieder kommen, halte ich für eine Illusion. Zu meinen, dass alle Orte, in denen unsere Vorfahren eine Kirche gebaut haben, auch in Zukunft Orte des kirchlichen Lebens sein werden, halte ich, wenn ich die Zahl der Ehrenamtlichen und das Alter der Gläubigen anschaue, für eine Illusion.
Was kann ein Ausweg sein? Ich meine, es braucht zunächst eine ehrliche Diagnose. Die Annahmen für die Weihnachtsgottesdienste seitens Medien, Politik und kirchlichen Verantwortlichen sind ein sprechendes Beispiel für unsere „gefühlte Wirklichkeit“. Da wurden überfüllte Kirchen erwartet oder vor ihnen gewarnt. Dabei war das auch vor Corona selbst an Weihnachten längst nicht mehr der Fall…
Wir sind eine Minderheit geworden, aber die meisten Seelsorgemethoden stammen aus der Zeit der „Volkskirche“. Was ist der Unterschied? Die Volkskirche geht davon aus, dass ohnehin fast alle Menschen Mitglied sind, irgendetwas mit der Kirche zu tun haben oder zumindest an Gott glauben. Keine dieser Annahmen trifft mehr unsere Wirklichkeit. Seit letzter Woche sind weniger als 50% der Deutschen Mitglied in der katholischen oder evangelischen Kirche. Die meisten Menschen sehen praktisch nie eine Kirche von innen. Selbst die Beerdigung, von der man bislang dachte: „Da kommen sie dann doch zum Pfarrer…“, ist inzwischen kein Monopol der Kirche mehr. Und mit dem Glauben an Gott ist das so eine Sache…
Was kann uns retten? Welche Strategie sollen wir vorschlagen? Wir stehen noch immer in den weihnachtlichen Tagen. Am Heiligen Abend hörten wir die Frohe Botschaft: „Heute ist euch der Retter geboren.“ Es gibt für uns Christen nur einen einzigen Retter: Jesus Christus. Wir müssen mehr von ihm sprechen, von seinem Leben, von seiner Botschaft.
Fragen wir noch einmal anders. Was würde denn fehlen, wenn die Kirche fehlt? Ich denke, dass müssen wir uns selbst ehrlich fragen. Und das führt uns zur Frage: Was kann nur die Kirche sagen oder beitragen? Freilich können auch wir zum Schutz des Klimas oder zum Schutz vor Corona oder sonst etwas sagen. Eine Stimme in einem großen Chor, aber letztlich überflüssig. Das Einzige, das nur wir zu sagen haben, ist das Evangelium, die Botschaft vom Leben in Fülle, das uns Christus gebracht hat.
Dafür hat Jesus seine Kirche gegründet, um diese Frohe Botschaft bis an die Grenzen der Erde zu tragen. Nur ER kann uns retten, uns Zukunft bringen. Doch übersehen wir nicht: Jesus hat diese Botschaft gezeigt als ärmliches Kind in einem Stall. Er ist keine Siegesstraße gegangen, sondern einen Kreuzweg. Es gibt keine „einfachen Lösungen“. Alle, die sie uns verheißen, sind falsche Propheten. Es gibt nur die schlichte Treue zum Evangelium, zur Kirche, zu Christus. Doch allen, die diesen Weg gehen, hat er verheißen, dass er bei uns ist – alle Tage. Amen.
31.12.2021, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler