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Predigt von Pfarrer Daigeler zum 2. Adventssonntag A

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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, bei der Ersten Lesung aus dem Buch Jesaja muss ich stets an einen befreundeten Priester denken. Wenn wir über die Situation der Kirche sprechen, verweist er oft auf das eben gehörte Bildwort Jesajas vom abgehauenen Baumstumpf, aus dem „ein Reis hervorwächst“. „Ein junger Trieb aus seinen Wurzeln bringt Frucht.“

Wenn wir unsere Erfahrungen aus dem kirchlichen Leben zusammenlegen würden, dann kommen wir bei aller Unterschiedlichkeit doch zu dem einen Ergebnis, dass die Beteiligung am kirchlichen Leben zurückgeht. Gar nicht wenige sind in echter Sorge, wie es und ob es weitergeht mit dem christlichen Glauben in der eigenen Familie und mit der Kirche als Ganzer – zumindest in unserem Land. Wenn wir, Priester, miteinander darüber sprechen, bewegt uns das natürlich sehr existentiell, haben wir doch unsere Lebensentscheidung an den Glauben und an eben diese Kirche gehängt.

Der eingangs erwähnte Priester sagt dann immer: „Der Baum ist noch nicht Stumpf geworden. Erst dann wird ein neuer Reis wachsen.“ Am Anfang habe ich darüber nachdenken müssen, was das bedeutet. Sollen wir selbst den Baum umhauen? Wohl kaum. Aber wir sind in der Kirche stark damit beschäftigt, den – manchmal dürren – Baum immer wieder zu düngen, dass er doch irgendwie weiterwächst. Organisation und Strukturen werden permanent überdacht, solange ich Priester bin. Andere meinen, wenn wir mehr „Lametta“ an den Baum hängen mit der Erfüllung einiger moderner Forderungen würde er wieder blühen…

Das Wort des Propheten Jesaja ist Herausforderung und großer Trost zugleich. Zunächst fordert es uns heraus anzuerkennen, dass die Dinge dieser Welt – auch Kirchengebäude und Organisationsformen vergänglich sind. Sie sind unter das Gesetz der Zeit gestellt. Johannes der Täufer sagt im Evangelium: Der Baum, „der keine gute Frucht hervorbringt, wird umgehauen“. Das ist hart und schmerzhaft.

Doch das Wort des Jesaja enthält ja ebenso ein ungeheures Pontential: Aus der Wurzel wächst junger Trieb, der Frucht bringt. Diese Wurzel ist die Botschaft, die uns Gott selbst in seinem Wort anvertraut hat. Diese Wurzel ist sein Versprechen, dass er der Immanuel, der „Gott mit uns“ ist. Diese Wurzel sind die Sakramente seiner Gegenwart. An uns richtet sich heute die Frage: Trauen wir dieser Wurzel so viel Kraft zu, dass sie immer neue Zweige hervorbringen kann, die Früchte bringen?

Es ist nicht unser Auftrag, neue Bäume zu züchten oder andere, „süßere“ Früchte von dem Baum herbeizuwünschen. Unseren Auftrag beschreibt Johannes der Täufer im Evangelium: „Bereitet dem Herrn den Weg. Kehrt um zu ihm.“ Uns brauchen die Veränderungen in der äußeren Gestalt der Kirche nicht zu ängstigen, wenn wir fest verwurzelt bleiben im Herrn, wenn wir festes Vertrauen haben, dass er immer einen neuen Anfang schaffen kann. Die gute Wurzel, die Gott selbst in dieser Welt gepflanzt hat, birgt Kraft und Zukunft genug.

Die Geschichte des Glaubens war zu keiner Zeit einfacher als heute. Immer ist es derselbe Auftrag, von dem Paulus im Römerbrief schreibt: dass „wir durch Geduld und durch den Trost der Schriften Hoffnung haben“. Advent ist die große Zeit der Hoffnung, dass Gott – wie in der Geburt des Christuskindes – immer einen neuen Anfang schaffen kann und will. Diese Hoffnung wollen wir nähren. Für diese Hoffnung dürfen wir Zeugen sein. Amen.

04.12.2022, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler

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