Predigt von Pfarrer Daigeler zum 23. Sonntag im Jahreskreis B
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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, das heutige Evangelium erzählt uns, wie Jesus einen Taubstummen heilt. Jesus öffnet ihm Ohren und Mund. Dazu berührt er den Menschen und sagt: „Effata – öffne dich!“ Der Evangelist Markus hat uns das aramäische Wort überliefert, das Jesus in seiner Muttersprache gesprochen hat. So führt er uns in jenen Augenblick hinein. Es ist nicht nur eine Geschichte aus früherer Zeit, letztlich etwas Fernes oder Vergangenes. Auch hier und heute tut Jesus dasselbe auf neue Weise immer wieder. Wenn ein Kind oder ein Erwachsener getauft wird, berührt ihn der Priester oder Diakon in Jesu Namen und sagt dazu: „Effata – öffne dich!“
Dieser schöne Ritus kommt ursprünglich aus der Taufvorbereitung der alten Kirche. In den Wochen und Monaten der Vorbereitung auf den Empfang der Taufe kamen die Taufbewerber zur Katechese zusammen, um etwas vom Glauben zu erfahren. Dabei lernten sie das „ABC des Glaubens“, nämlich das Vaterunser und das christliche Glaubensbekenntnis. Zusätzlich gab es Stärkungsgottesdienste, in denen für die Täuflinge gebetet wurde. Dazu gehörte der Exorzismus, also die deutliche Abkehr von allem Gegengöttlichen und die Absage an den Widersacher, und es gehörte eben auch der Effata-Ritus zu dieser ausführlichen Taufvorbereitung. Durch die allgemeine Verbreitung der Kindertaufe wurden all diese Riten in dem einem Gottesdienst der Taufe zusammengefasst.
Doch hier geht es nicht um eine liturgiehistorische Erklärung der Taufe. Es geht um die Frage, was das Evangelium und was der Effata-Ritus uns heute sagen kann.
Zunächst fühlen wir uns vielleicht gar nicht angesprochen oder gemeint. Wir können ja mehr oder weniger gut hören. Aber sind wir nicht doch schwerhörig Gott gegenüber? Ist nicht oft so viel Lärm in uns und um uns, dass wir die leise Stimme Gottes gar nicht hören? Unsere Sorgen und Wünsche, unsere Geschäftigkeit und der Lärm der öffentlichen Meinung, die sagt: „Der Glaube ist von gestern…“ All das verstopft unsere Ohren.
Beachten wir eine kleine Randnotiz, die uns der Evangelist Markus überliefert: Jesus nimmt dem Taubstummen zunächst „beiseite, von der Menge weg“. Auch wir brauchen Zeiten der Stille, Zeiten, in denen wir nicht auf „die Menge“, sondern auf den Herrn hören. Denn Glauben meint so etwas wie „Hörenlernen“ auf Gott. Freilich, eine grundlegende Fähigkeit zum Hören ist vorhanden, aber es gibt ja auch so etwas wie das geschulte Gehör beispielsweise in der Musik, das die richtigen Töne von den falschen zu unterscheiden lernt. Dazu braucht es Übung, Training, ja Vertrautwerden und Vertrautsein mit der Stimme Gottes. Darum sind regelmäßiges Gebet und Gottesdienst wichtig.
In unserer Taufe hat Jesus jeden von uns berührt und gesagt: „Effata – öffne dich!“ Ohren und Mund wurden berührt mit der Bitte, dass wir hörfähig werden für Gott und dass wir sprachfähig werden für den Glauben. Denn nur wo wir zuerst hören, können wir angemessen sprechen. Das gilt für viele Themen und das gilt auch für den Glauben. Erst wo wir wieder mehr hinhören, lernen wir mit Gott und über Gott zu sprechen.
Die Taufe öffnet dazu den besten Weg, denn sie führt uns hinein in die Gemeinschaft der Kirche, die sich auszeichnen soll dadurch, dass sie auf Jesus hört und von Jesus redet. Die Taufe ist der Anfang dieses Wegs, auf den uns der Herr ruft. Wir sind gerufen, uns immer wieder aufzumachen, ihn zu hören und mit ihm zu sprechen. Das Evangelium zeigt uns, wie weit und hell unser Leben dadurch wird, wenn wir Ohren und Augen für Gott haben. Amen.
05.09.2021, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler