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Predigt von Pfarrer Daigeler zum 30. Sonntag im Jahreskreis C

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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, wir hören von zwei Typen im heutigen Evangelium. Oft haben die Menschen in den Gleichnissen Jesu keine Namen, so auch hier. Es ist deutlich, hier geht es um eine allgemein gültige Aussage. Natürlich birgt das Gleichnis auch eine Gefahr: Ganz schnell stelle ich mich auf die eine oder die andere Seite. Wer ist denn schon ein „Pharisäer“? Dann muss ich mir keine weiteren Fragen stellen.

Aber es gehört zum Herausfordernden der Gleichnisse Jesu, dass sie sowohl in eine konkrete Zeit und ihre Situation gesprochen sind, als auch eine zeitlose, bleibend gültige Botschaft enthalten. Darum lesen wir sie ja Sonntag für Sonntag. Zeitgebunden ist der Zuhörerkreis Jesu. Zu seiner Zeit spielen die Pharisäer eine große Rolle im religiösen und gesellschaftlichen Leben. Sie sind zunächst schlicht Menschen, die die Heilige Schrift ernstnehmen, die sie als Richtschnur für ihr Leben und Handeln nehmen. Die große Zahl detaillierter religiöser Vorschriften, was in diesem oder jenem Fall genau zu beachten ist, mag uns verwundern, aber ganz ohne Regeln geht es auch bei uns nicht. Und wenn Zweifel besteht, suchen auch wir Menschen, die wir als Experten ansehen: Sei es, dass Menschen vor Gericht ziehen, um Klarheit zu bekommen, was gilt. Sei es, dass wir uns an Menschen wenden, die wir für kompetent halten. Oder sei es, dass wir im Internet einen der zahllosen „Experten“ suchen…

Sagen wir es ganz nüchtern, die Pharisäer waren Fachleute, die man in religiösen und rechtlichen Fragen um Rat ansuchte. Das ist nichts Schlechtes. Im Gegenteil, das gehört, wie gezeigt, zum menschlichen Verhalten. Doch solche Fachleute stehen in besonderer Weise in der Versuchung, sich mit ihrem Wissen und Tun zu begnügen. Das eigene Leben und Denken immer neu zu hinterfragen, ist ja anstrengend. Es kostet Mühe, ist manchmal lästig.

Doch hier begegnet uns ein Grundanliegen Jesu. Das heißt Umkehr. Im Religionsunterricht hat diese Woche ein Schüler, als wir über den Zöllner Zachäus sprachen, gesagt: „Man muss umdrehen.“ Umdrehen kennen wir aus dem Straßenverkehr und meint genau das Richtige. Wenn ich mich verfahren habe, muss ich umdrehen, sonst geht es nicht weiter. Und eben dafür steht der Zöllner im Evangelium. Die Zöllner gehören zur Zeit Jesu zu den unbeliebtesten Menschen. Sie kollaborieren mit den römischen Besatzern. Sie sammeln die Steuern für die Römer ein und bereichern sich dabei selbst. „Gott, sei mir Sünder gnädig“, betet nun ein solcher Zöllner. Und mit dieser ehrlichen Bitte findet er Erhörung. Seine wahre Größe findet der Mensch nicht darin, alles selbst zu wissen oder zu können, sondern wenn er seine Begrenztheit anerkennt, wenn er versteht: Ich bin ganz auf Gottes Barmherzigkeit angewiesen. In der Sprache des Glaubens: „Ich bin ein Sünder“ – und darum brauche ich immer neu Gottes frei machende Liebe.

Diese Haltung dringt durch die Wolken, sagt die Erste Lesung. Diese Demut ist die Grundlage, dass Gott mich hört und erhört, denn „bei ihm gibt es kein Ansehen der Person“. Nicht meine Leistungen, mein Besitz oder mein Wissen zählen, sondern die Herzenshaltung, ob ich Gott suche, ob ich erkenne, dass ich den anderen brauche, dass ich Gott und seine Barmherzigkeit brauche.

Kurz vor seinem Tod schreibt Paulus an Timotheus, dass er genau diesen Weg weiter gehen möchte. Viele haben ihn auf seinem Glaubensweg verlassen, sagt er. Aber er vertraut weiter fest: Der Herr wird mich „retten in sein himmlisches Reich“. So dürfen auch wir vertrauen – und immer neu „umdrehen“, umkehren auf diesen Weg. Amen.

23.10.2022, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler

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