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Predigt von Pfarrer Daigeler zum Zweiten Adventssonntag C

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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, mit seinem Besuch auf der Insel Zypern hat der Heilige Vater in dieser Woche auf die Not von Flüchtlingen weltweit aufmerksam gemacht. Unabhängig von einzelnen politischen Fragen kann sich wohl jeder vorstellen, wie bitter es ist, wenn man seine Heimat und sein Zuhause verlassen muss. Das Volk Israel hat eben diese Erfahrung machen müssen: „Zu Fuß zogen sie fort“, „weggetrieben von Feinden“, so beschreibt der Prophet Baruch die Verschleppung. Doch er kündigt auch das heilvolle Eingreifen Gottes an: „Gott aber bringt sie heim zu dir, ehrenvoll getragen wie in einer königlichen Sänfte“. So hörten wir es in der Ersten Lesung. Alle Hindernisse, Berge und Täler, die dem entgegenstehen, werden ausgeräumt.

Wie tröstlich sind diese Worte für das Volk Gottes. Und doch fragen wir uns: Ist das wirklich so? Greift denn Gott überhaupt ein in diese Welt? Wenn wir uns umschauen, dann könnte man manchmal daran zweifeln. Aber ist das nicht allzu menschlich gesehen? Der heilige Paulus schreibt der Gemeinde in Philippi, dass er für sie betet, damit sie „beurteilen können“, „worauf es ankommt“.

Doch worauf kommt es an? Was hat das Auftreten Johannes‘ des Täufers bewirkt, von dem wir im Evangelium hörten? Wurde er nicht von den Mächtigen seiner Zeit enthauptet und zum Schweigen gebracht? Ja, das wurde er. Doch zuvor haben unzählige Menschen seine Stimme gehört und ihr konkretes Leben verändert. Sie haben sich bekehrt. Sie haben mit Gottes Hilfe neu begonnen. Sie haben in ihrem kleinen Leben das Heil Gottes geschaut.

In der Adventszeit geht es auch um die Frage: Glaube ich, dass Gott in unserer Welt wirken kann und will? Diese Frage hängt zusammen mit dem christlichen Bekenntnis zur Menschwerdung Gottes. Gott hat in Jesus unser Fleisch angenommen, auch in seiner Hinfälligkeit und Verletzlichkeit. Wie jeder Mensch ist er auf die Welt gekommen, indem er von einer Frau zur Welt gebracht wurde. Maria ist die große Zeugin dieses unerhörten Vorgangs. Gott hat sich ganz einem Menschen, genauer einer Frau, anvertraut, die ihn mit glaubendem Herzen aufgenommen hat.

„Jesus hat uns Gott gebracht“ (Papst Benedikt XVI.). Maria steht für diesen Glauben: Jesus ist Gott selbst, der sich für uns sichtbar und „angreifbar“ gemacht hat, der mitten unter uns leben, ja „einer von uns“ werden wollte. Ganz konkret, darum zählt der Evangelist Lukas die zahlreichen Herrscher- und Ortsangaben der Zeit auf. Nicht irgendwo und irgendwann, ganz konkret und wirklich ist Gott in unsere Welt gekommen.

Daran sehen wir zugleich, wie Gott in unserer Welt handelt. Viele kommen erst gar nicht zum Glauben, weil sie Spektakuläres erwarten: Große Zeichen, die unübersehbar sind, oder Wunder, die alle Probleme aus dem Weg räumen. Doch Gott zeigt sich anders. Er zeigt sich im Kleinen: in einem Kind in der Krippe. Und gerade darin zeigt er, was die Gottesmutter Maria in ihrem Magnificat besingt: Gott sieht die Armen und Kleinen. Und dieses Sehen Gottes bedeutet Ansehen.

Wie Johannes, wie Maria sind auch wir aufgerufen, dem Wirken Gottes in unserer Welt den Weg zu bereiten. Durch mein christliches Leben kann ich zu einem Mitarbeiter Gottes werden, durch Gebet und Gottesdienst, durch Caritas und Nächstenliebe, durch das Weitersagen der Frohen Botschaft. Jeder Mensch kann mit Gott zusammenarbeiten für das Heil der Welt. Auch ich kann Christus in unsere Welt tragen und die Frohe Botschaft künden: Gott ist nahe. Gott ist treu. Gott wirkt in unserer Welt.

Jeder kann einen wichtigen Beitrag leisten, damit alle Menschen das Heil sehen, das von Gott kommt – nicht im Spektakulären, sondern im Kleinen, im Konkreten, in jedem einzelnen Leben. Diese Botschaft braucht unsere Welt – nicht nur im Advent. Amen.

05.12.2021, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler

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