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Predigt von Pfarrer Daigeler zum Fest Mariae Himmelfahrt

Liebe Schwestern und Brüder im Herrn,

ein kurzes Beispiel: Eine meiner Nichten ist dreieinhalb Jahre alt. In der Zeit der strengen Corona-Einschränkungen hatte sie von ihrer Mutter beigebracht bekommen, dass sie ihre Oma nicht umarmen darf. So gutgemeint dieses Abstandhalten war, so belastend war es für das Kind. Man konnte dem Kind richtig anmerken, dass etwas fehlt – ein Mangel, der nicht durch Telefon oder Internet zu ersetzen war oder ist.

Woran liegt das? Es geht um eine Wahrheit, was der Mensch ist. Häufig schauen wir auf den Menschen nur aus einem Blickwinkel, aus dem der Biologen, der Mediziner, der Soziologen o.ä. Der Mensch als Ganzer gerät dabei manchmal aus dem Blick. Doch darum geht es, wenn wir als Glaubende sagen: Der Mensch ist Leib und Seele. Das heißt: Wir leben nicht nur von Nahrung, nicht allein von Sauerstoff, so unverzichtbar sie auch für das Leben sind. Wir leben ebenso von Zuwendung, vom Angenommensein, von der Vergebung, die uns geschenkt werden. Und das geschieht nicht allein durch Worte, sondern mindestens ebenso durch unsere Körpersprache, durch eine Umarmung oder Berührung…

Das heutige Fest Mariae Himmelfahrt bekräftigt in der Sprache des Glaubens noch einmal diese Wahrheit über den Menschen. Im Dogma bekennen wir, dass die Gottesmutter Maria mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen wurde. Nicht eine bloße Erinnerung lebt fort, nicht nur ein Wort, gesprochen oder geschrieben, nein, der ganze Mensch – mit Leib und Seele – hat ewiges Leben in Gott. Ein wunderschönes Fest dürfen wir feiern. Ostern mitten im Sommer. Das, was mit der Auferstehung Jesu von Toten begonnen hat, geht weiter an seinen Gläubigen. Und Maria ist die Erste, an der das himmlische Leben schon voll und ganz Wirklichkeit geworden ist. Darum ist sie für uns ein leuchtendes Zeichen der Hoffnung.

Dieses Nachdenken macht mich aber auch nachdenklich über unseren Umgang mit Kranken oder die Sterbenden. Wie schlimm war es und ist es, wenn sie ohne die Berührung eines lieben Menschen bleiben müssen. Und das geht für mich auch über den Tod hinaus. Auch der tote Leib ist Symbol für eine Person, er ist nicht nur Hülle.

Natürlich zerfällt der Körper des Verstorbenen. Doch das christliche Bekenntnis spricht vom ewigen Leben dieser einzigartigen Person. Nicht nur eine Idee soll fortleben, sondern der ganze Mensch soll Leben haben in Gott. Die Eindrücke, die ich machen durfte; das, was ich von der Welt „begriffen“ habe; auch die Wunden, die mir das Leben schlug; die Berührung und Zuwendung, die ich erfuhr; eben meine ganze Person mit Leib und Seele – all, das soll aufgehoben sein. Das beschreibt das Wort von der „Auferstehung des Fleisches bzw. des Leibes“, wie es wörtlich in unserem Glaubensbekenntnis heißt.

Und damit dieser Glaube nicht nur ein frommer Spruch ist, sucht er eine konkrete Ausdrucksform. Seit den Anfängen war das für Christen die Erdbestattung des Leibes, die das Wort Jesu vom Samenkorn abbildet, das in die Erde gelegt wird und sterbend neue Frucht bringt. Noch einmal anders formuliert: In den Sakramenten berührt uns Christus – unser Leib wird gewaschen im Wasser der Taufe, wird genährt mit dem Leib und Blut des Herrn in der Eucharistie. Diese spürbare Besiegelung durch den Erlöser ist über den Tod hinaus bedeutsam.

Ich bin mir bewusst, wie unterschiedlich diese Fragen gesehen werden. Doch es bleibt mir ein Herzensanliegen:

Wenn wir die Wirklichkeit ernst nehmen, dass wir als Menschen Leib und Seele sind,

und wenn wir dem Wort Christi trauen, dass er uns wie seine Mutter Maria als ganze, einzigartigen Person in das Leben bei Gott rufen will,

dann braucht dieser Glaube auch einen sichtbaren Ausdruck. Amen.

15./ 16.08.2020, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler

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