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Marienpredigt von Pfarrer Daigeler am Dreifaltigkeitssonntag in der Stadtpfarrkirche St. Justinus Alzenau

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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, viele kennen eine der berühmtesten Mariendarstellungen überhaupt, die Pieta von Michelangelo. Man kennt diese wunderbare Statue aus weißem Marmor entweder von Bildern, oder mancher war vielleicht schon in Rom und hat die Marienfigur im Original bewundert. Maria hält ihren toten Sohn Jesus in Armen, den man eben vom Kreuz abgenommen hat. Wer genau hinschaut, dem wird auffallen, dass hier Maria jünger aussieht als Jesus. Das mag verwundern, denn entsprechend der üblichen Logik ist die Mutter natürlicherweise älter als ihr Kind.

Freilich gibt es in der Kunst stets Freiheit der Gestaltung. Aber sehr wahrscheinlich wollte Michelangelo damit auch eine theologische Botschaft ausdrücken: die Reinheit der Jungfrau, das anrührend Zerbrechliche der Trauer… Vermutlich zeigt sich auch theologisches Nachdenken über die Dreifaltigkeit, die wir am heutigen Festtag feiern. Der große, italienische Dichter Dante drückte das Verwobensein Marias mit dem Geheimnis der göttlichen Dreifaltigkeit im Gedicht mit den Worten aus: „O Jungfrau Mutter, Tochter deines Sohnes“ (Dante Alighieri, Göttliche Komödie, Das Paradies, 33. Gesang).

Man mag das jetzt als theologische Überlegung bezeichnen. Für die eigene Frömmigkeit und Verehrung der Gottesmutter stehen vielleicht andere Fragen im Vordergrund. Dennoch lohnt es sich am Dreifaltigkeitssonntag darüber nachzudenken. Und das gilt nicht nur für Theologen, das gilt für alle Christen. Warum? Weil wir an Maria besonders deutlich sehen, was gelungenes Menschsein bedeutet und was gelingendes Christsein meint.

Unter den Titeln, die wir Maria zusprechen, ist „Tochter“ nicht der häufigste. Sie ist Tochter des Volkes Israel. Sie ist Tochter glaubender Menschen, der heiligen Anna und des heiligen Joachim. Maria ist auch Tochter des himmlischen Vaters. Das erinnert uns zum einen an das Glaubensbekenntnis, dass Gott der Schöpfer aller Dinge und aller Menschen ist. Maria ist sein Geschöpf. Und Gott kennt und liebt all seine Geschöpfe. Zum anderen erinnert es uns, wenn wir Maria als „Tochter des Vaters“ bezeichnen daran, was Jesus uns lehrt: Wir sollen durch den Glauben Kinder Gottes werden. Wir dürfen Gott Vater nennen. Wir dürfen in einer liebevollen und vertrauensvollen Beziehung zum himmlischen Vater stehen. Das bezeugt Maria.

Die zweite Person der göttlichen Dreifaltigkeit ist der Sohn. Das ist wohl das Naheliegendste: Wenn wir über Maria sprechen, denken wir an ihre Mutterschaft. Sie hat „Ja“ gesagt zum Willen des Vaters. So wie wir es eben aus dem Alten Testament hörten: Die Weisungen und Gebote Gottes sind Zeichen seiner Nähe. Wer ihm glaubt, der erfährt seine Nähe. Und wer hätte mehr die Nähe Gottes erfahren als Maria, die uns Jesus geboren hat? „Mutter Gottes“ ist ein Wort der Verehrung. Es ist ein Wort des Vertrauens von uns glaubenden Menschen. „Mutter Gottes“ ist aber auch ein Auftrag, eine Berufung, an die uns Maria erinnert. Sie hat den Menschen das Wertvollste gebracht. Sie hat die größte Hilfe gebracht, indem sie Jesus in die Welt getragen hat. Das ist auch unsere Berufung als Christen: Wir sollen Christus, seine Botschaft und seine Liebe in unsere Welt tragen – zu allen Menschen, bis an die Grenzen der Erde, wie wir es im Evangelium hörten.

Schließlich ist Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist. Maria ist die Jungfrau und Braut des Heiligen Geistes – kein „Geist der Knechtschaft“, wie es Paulus schreibt, sondern ein „Geist der Kindschaft“. Vor einer Woche haben wir Pfingsten gefeiert. Da hieß es, dass Maria die Jünger stützte im Gebet um den Gottesgeist. Sie wusste aus eigener Erfahrung um die Macht des Geistes. Als die Jünger mutlos waren, hat sie daran erinnert. Sie ist als Fürsprecherin eingetreten. Und das tut Maria bis heute. Sie bittet mit und für uns um die Ermutigung und Kraft Gottes. Wie dringend brauchen wir Christen den Heiligen Geist in dieser Zeit, dass er uns den Weg zeigt, dass er sendet und stärkt.

Im Maienlied bekennen wir es singend: „Ihr Blümlein, die zum Feste hat die Dreieinigkeit der Tochter, Braut und Mutter in Tau und Duft geweiht…“ Immer macht uns Maria Mut zu glauben – als Tochter des Vaters, als Mutter des Sohnes, als Braut des Geistes. Sie zeigt uns: Mit Gott wird das Leben gut. Mit dem Schöpfer erst finden wir zum gelungenen Menschsein. Mit dem Erlöser finden wir das Leben in Fülle und zum wahren Frieden. Und mit dem Heiligen Geist lernen wir, als Christen Zeugen der Frohen Botschaft zu sein. Dazu bitten wir: Maria, Königin des Friedens, hilf uns und bitte für uns! Amen.

26.05.2024, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler

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