Predigt von Pfarrer Daigeler zum Zweiten Weihnachtsfeiertag (Stephanustag)
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Liebe Brüder und Schwestern im Herrn, der zweite Weihnachtstag stellt uns den ersten Märtyrer der Kirche vor, den heiligen Stephanus. Von seinem Tod berichtet uns die Apostelgeschichte. Wir hörten es in der Lesung. Das griechische Wort „martyr“ bedeutet zu Deutsch „Zeuge“. Und darum ist es kein Zufall, dass wir den Ersten, der mit seinem Leben für Christus Zeugnis gegeben hat, in der Weihnachtsoktav ehren.
Weihnachten trifft unsere Herzen mit der Botschaft von der Geburt des Christuskindes. „Ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns geschenkt“, hörten wir in der Heiligen Nacht. Eine wahrhaft Frohe Botschaft. Selbst in dunkelsten Stunden, selbst in menschlicher Ausweglosigkeit ist die Geburt eines Kindes ein untrügliches Hoffnungszeichen. Die Unschuld und Reinheit des Neugeborenen rührt uns an. Die Unbekümmertheit von den Sorgen dieser Welt macht auch uns froh und beschenkt uns…
Der Sohn Gottes ist uns als Sohn Marias geschenkt. Zur Freude und Ermutigung. Und doch ist es kein Märchen, keine schöne „Geschichte von früher“. Der Evangelist Johannes sagt: „Das Wort ist Fleisch geworden“. Es ist keine bloße Erscheinung, nicht nur eine Idee oder ein frommer Spruch. Fleisch geworden ist das ewige Wort. Damit hat es sich im wahrsten Sinne angreifbar gemacht. Es gehört zu unserer Leiblichkeit, dass sie der Weg ist, auf dem wir uns dem anderen mitteilen – durch Worte, Berührungen, Gesten und Taten. Gerade in der Zeit der Pandemie, in der alle „Abstand“ rufen, merken wir es umso mehr, was uns fehlt, wenn die Leiblichkeit der Kommunikation fehlt. Den Bewohnern im Altersheim, den Kranken daheim oder im Krankenhaus fehlt eine Umarmung… Den Kindern fehlt das unbeschwerte Spielen mit Freunden, Eltern oder Großeltern…
Wir sind bereit diesen Preis zu zahlen, in der Hoffnung, dass es hilft. Ich hoffe das auch. Gleichzeitig bedeutet die Leiblichkeit immer auch die Verletzlichkeit. Das „Fleisch“, das Jesus angenommen hat, wurde geschlagen und der Sterblichkeit unterworfen. Das ist der Preis der Erlösung. Es gibt sie nicht ohne das Opfer, ohne dass sich die Liebe preisgibt und aussetzt – auch in der Gefahr, dass sie verlacht oder verletzt wird. Das harte Evangelium spricht davon, wenn es sagt, dass „der Bruder den Bruder dem Tod ausliefern“ wird, dass wir „um seines Namens willen von allen gehasst werden“. Doch „wer bis zum Ende standhaft bleibt, der wird gerettet.“
Das ist der Weg der Liebe, den uns Jesus zeigt – in seiner ärmlichen Geburt, in seinen Worten und Gesten, indem er sich verschenkt am Kreuz und als Brot des Lebens in der Eucharistie.
Dafür braucht es Zeugen. Zeugen, die nicht nur von Jesus sprechen, sondern sich mit Leib und Seele, ja mit ihrem ganzen Leben von ihm ergreifen lassen wie der heilige Stephanus.
„Ist das nicht ein wenig übertrieben oder gar fanatisch?“, mag man einwenden. Reicht nicht auch weniger? In dieser Radikalität ist es nicht für jeden der Weg. Doch auf bescheidenere Weise ist es auch eine Frage, die man uns stellt: Warum kommt ihr denn in dieser Zeit überhaupt zum Gottesdienst zusammen? Wäre es nicht besser daheim zu bleiben? …
Vor einigen Wochen wurden drei Gläubige in Frankreich durch einen islamistischen Anschlag in der Kathedrale von Nizza getötet. Einfach nur, weil sie an der heiligen Messe teilgenommen hatten. Wären sie besser daheim geblieben? Man mag so denken. Man darf das auch. Aber ich bin dankbar für ihr Zeugnis. Sie haben Zeugnis gegeben für unseren katholischen Glauben, dass uns in der Messe leibhaft der Heiland begegnet. Nicht nur als Erinnerung, nein, „in unserem Fleisch“, in der kleinen, zerbrechlichen Hostie kommt er zu uns, damit wir vertrauen, dass er da ist, dass er für uns da ist – selbst dort, wo unser Leben zerbrechlich und verletzlich ist. Von dieser Hoffnung zehren wir. Für diese Hoffnung braucht es Zeugen! Amen.
26.12.2020, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler