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Predigt von Pfarrer Daigeler zum 30. Sonntag im Jahreskreis B

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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, Sehen ist für uns ein wichtiger Sinn. Mit den Augen erschließen wir uns einen Gutteil unserer Welt. Wer schlecht oder gar nicht sieht, erfährt oft in seinem Alltag Einschränkungen. Das ist wohl unbestritten, dennoch möchte ich fragen: Wie geht das eigentlich Sehen? Ist das nur ein körperlicher Vorgang, bei dem sich mit Hilfe des Lichtes Dinge auf unserer Netzhaut wiederspiegeln?

Sicherlich ist das Sehen zuerst ein körperlicher Vorgang. Doch es ist nicht weniger ein geistiger Vorgang. Denn das, was wir sehen, wird von uns geordnet in Dinge, die wir bereits gesehen haben und darum wiedererkennen, und in Dinge, die wir noch nicht gesehen haben und die wir darum nicht kennen oder verstehen. Zum Vorgang des Sehens muss also das „rechte Sehen“ bzw. Verstehen der Dinge kommen. Dazu braucht es nicht nur das natürliche Licht, wie es das Auge benötigt, um überhaupt zu sehen. Es braucht dazu ebenso geistiges oder geistliches Licht, um zu verstehen.

Das Evangelium erzählt uns von einem Blinden namens Bartimäus. Auf den ersten Blick geht es um eine körperliche Heilung. Jesus schenkt ihm auf seine Bitte hin das Augenlicht. Doch der letzte und entscheidende Satz des Evangeliums war nicht: „er konnte sehen“, sondern „und er folgte Jesus auf seinem Weg nach“. Das Licht des Glaubens öffnet die Augen für das, worauf es wirklich ankommt. Bartimäus hat eine Ahnung vom Glauben. Darum ruft er ja zu Jesus um Hilfe: „Sohn Davids, hab Erbarmen mit mir“. Die Begegnung mit Jesus erschließt ihm dann die Tiefe und Schönheit dieses Glaubens, sodass Bartimäus alles, was er ist und hat, sein ganzes Leben, einsetzt für diesen Jesus.

Das ist der Grund, weshalb Jesus in unsere Welt gekommen ist: Den Menschen die Augen für Gott zu öffnen, die Menschen heimzuführen in die Gemeinschaft mit dem Vater. So hat es bereits Jeremia verheißen: „Siehe, ich … sammle sie von den Enden der Erde… Denn ich bin Vater für Israel“, hörten wir in der Ersten Lesung.

Manchmal geben wir uns mit dem Vordergründigen zufrieden. Wir schauen kurz hin und meinen, dass wir alles verstanden haben. „Das habe ich schon gesehen… Das kenne ich schon…“, sagen viele. Doch der Glaube beginnt mit der Bitte um das rechte Sehen. Das lernen wir aus dem heutigen Evangelium. Geben wir uns nicht zufrieden mit dem, was alle sagen, mit Äußerlichkeiten auch der Kirche, die uns vielleicht manchmal stören. Schauen wir genauer hin! Lernen wir Jesus neu kennen! Lesen wir seine Worte im Evangelium. Suchen wir seine Nähe in Gebet und Gottesdienst.

Ermutigend ist dabei, dass Gott sich uns in Jesus menschlich gezeigt hat. Darüber dachte die Zweite Lesung aus dem Hebräerbrief mit uns nach. Jesus hat unser Menschsein, unsere „Schwachheit“ angenommen, damit wir ihn finden. Der blinde Bartimäus erkennt das besser als die Umstehenden, die meinen, dass sie sehen, darum nicht verstehen. Bitten wir wie Bartimäus den Herrn: Jesus, Meister, „ich möchte sehen können“! Ja, Jesus, lehre uns das rechte Sehen, das Sehen deiner Schönheit und Liebe, die uns Licht ist für unseren Weg – in dieser Zeit und hin zu deiner Ewigkeit. Amen.

24.10.2021, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler

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