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Predigt von Pfarrer Daigeler zum Palmsonntag C

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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, immer wieder heißt es, der Glaube sei weltfremd. Die Worte der Bibel oder der Kirche seien lebensfremd… Man müsse sie daher der Zeit oder der „Lebenswirklichkeit“ anpassen… Wenn wir am heutigen Palmsonntag in einem großen Bogen den Weg Jesu sehen – angefangen von seinem bejubelten Einzug in Jerusalem bis hin zu seinem Tod am Kreuz, dann meine ich, hier sind wir ganz nah dran am Leben der Menschen und der Welt, wie es in Wirklichkeit ist. All diese Worte und Ereignisse sprechen eine zeitlose Wahrheit über Menschen und über Gott aus.

Was meine ich damit? Wir sehen in der Darstellung der Passion, wie sie uns der Evangelist Lukas überliefert hat, die Schwachheit und die Größe des Menschen zugleich. Wie wankelmütig sind wir Menschen oft. Da ist die Begeisterung groß für einen Amtsträger in Politik oder Kirche, für einen neuen Kollegen oder ein neues Mitglied in der Familie. „Hosanna“, rufen die Menschen Jesus zu. Mit Palmzweigen jubeln sie ihm zu. Doch es sind dieselben Menschen, die wenige Tage später schreien: „Ans Kreuz mit ihm!“ „Weg mit ihm!“ Wie sieht es um meine Treue aus zu anderen Menschen? Wie stehe ich zu denen, die angriffen oder ausgegrenzt werden? Wie oft gilt in unserer Welt, was der heilige Lukas in die knappen Worte fasst: „Und mit ihrem Geschrei setzten sie sich durch“. Macht wird über Recht gestellt, der Lautere oder Stärkere setzt sich durch…

Wir sehen in der Passion aber nicht nur die „Masse“, die Allgemeinheit. Wir sehen auch konkrete Menschen. Die Jünger schlafen, als Jesus in Todesangst betet. Sie laufen bei der ersten Bedrohung davon. Und Petrus, der Freund, leugnet, Jesus überhaupt zu kennen. Wie viel Trägheit und Feigheit gibt es auch in mir? Auch unter uns Christen, wenn es darum geht, zu Jesus und zu seiner Kirche zu stehen?

Gleichzeitig sehen wir in stillen Gesten, die nicht übersehen werden sollen, auch die Größe, zu der Menschen fähig sind. Da sind Frauen am Kreuzweg, die Anteil nehmen, die mitleiden, die sich anrühren lassen vom Leiden eines anderen und weinen. Da ist der „Mann aus Kyrene“, der – vielleicht gezwungen, aber eben doch – Jesus hilft das Kreuz zu tragen. Da ist der Schächer, von dem uns allein Lukas erzählt, der womöglich sein ganz Leben verbaut hat, der als Verbrecher am Kreuz endet, der aber seine ganze Hoffnung auf Jesus setzt mit einem der schönsten Glaubensbekenntnisse: „Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst.“

Inmitten des Leidens und der Grausamkeit gibt es die Versuchung, zu verzweifeln und zu meinen, alles sei sinnlos oder vergebens. Doch diese kleinen Gesten der Hoffnung und der Liebe zeigen uns einen anderen Weg: Kleine Dinge mit großer Liebe tun, sagt die heilige Therese von Lisieux. Die kleinen Gesten der Hoffnung und der Liebe verändern die Welt. Und wir finden Mut dazu in den großen Gesten der Liebe, die uns Jesus geschenkt hat. „Der Herr blickte Petrus an“, der weint, und der Herr verzeiht ihm den Verrat. Ein neuer Anfang ist möglich. Der Herr tröstet die Frauen am Kreuzweg und denkt an ihre Leiden und Sorgen. Der Herr sagt dem Schächer am Kreuz zu: „Heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein.“ Aus dieser Liebe, die nicht zurückgeschrien oder zurückgeschlagen hat, sondern die sich am Kreuz verschenkt hat, aus dieser Liebe leben wir. Sie macht uns Mut, selbst den Weg der Treue, der Hoffnung und der Liebe zu gehen. Amen.

10.04.2022, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler

 

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