Predigt von Pfarrer Daigeler zum Fest der Heiligen Familie C
Download Audiodatei der Predigt
Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, der Sonntag nach Weihnachten ist der Heiligen Familie geweiht. Ein recht junges Fest im kirchlichen Kalender, etwa 100 Jahre alt. Beim ersten Hören scheint es uns selbstverständlich. Ein Kind wird geboren, da denken wir in jedem Fall auch an eine Mutter und in den meisten Fällen auch an einen Vater. Weihnachten das Fest der Geburt Christi lässt uns also auch dankbar an die Gottesmutter Maria und an den heiligen Josef, denken. Jesus, Maria und Josef – die Heilige Familie.
Scheint klar, ist es das aber auch? Der Begriff „Familie“ ist heute umstritten. Soll man das biologisch verstehen, also von der Abstammung her: Vater, Mutter, Kinder? Oder sind das Menschen, die sich entschieden haben, miteinander zu leben? Die neue Regierung denkt in diese Richtung und will etwas vorlegen, das sie als „modernes Familienrecht“ bezeichnet. Man will u.a. das „Institut der Verantwortungs-gemeinschaft“ einführen. „Jenseits von Liebesbeziehungen oder der Ehe“ soll die Verantwortungsgemeinschaft „zwei oder mehr volljährigen Personen ermöglichen, rechtlich füreinander Verantwortung zu übernehmen“, heißt es.
Die meisten Menschen in unserem Land interessiert das nicht. In Debatten spielt der „Schutz von Ehe und Familie“, wie ihn unser Grundgesetz (Art. 6) formuliert, kaum eine Rolle. Das mag mit Toleranz oder Vielfalt zu tun haben. Ich meine, es hat vor allem damit zu tun, dass wir davon ausgehen, dass bestimmte Dinge einfach da sind. „Kinder bekommen die Leute immer“, soll Konrad Adenauer gesagt haben. Die demographische Entwicklung unseres überalterten Landes belegt, dass dem nicht so ist. Viele meinen, Familie wird es immer geben. Das kann sein, muss es aber nicht. Jedenfalls ist es keineswegs selbstverständlich. Es hängt immer von konkreten Menschen ab.
Nun ist die Herausforderung, dass nämlich „Familie“ sich nicht allein durch einen Baustein wie „Verantwortung“ – so unverzichtbar er auch ist – begründen lassen kann. Schauen wir dazu auf die Heilige Familie. Blicken wir in das Evangelium, das wir eben gehört haben. Der heilige Lukas erzählt uns vom zwölfjährigen Jesus. Damals war man mit zwölf Jahren vermutlich näher am Erwachsensein als heute, aber dennoch ist Jesus im Familienverbund auf einer Wallfahrt nach Jerusalem. Verschiedene Ebenen begegnen uns hier: Die Sippe, die Großfamilie, vielleicht das halbe Dorf, das hier gemeinsam auf Pilgerfahrt ist. Die Familie Gottes, die Jesus in seinem Herzen als Ruf verspürt. Er „muss in dem sein, was seinem Vater gehört“, sagt er und will diesem Begehren nachgeben. Es begegnet aber auch die unmittelbare Familie, in die Jesus hineingeboren werden wollte, Maria und Josef. Die suchen Jesus „voller Sorge“. Und – das hält das Evangelium ausdrücklich fest – Jesus kehrt zu ihnen zurück und ist „ihnen gehorsam“.
Was ist nun entscheidend? Das lässt sich nicht so einfach beantworten mit dem Verweis auf Verantwortung, die jemand für einen anderen übernimmt. Ist es nicht vielmehr so, dass Familie eben aus einer Verschränkung und Ergänzung von natürlichen, biologischen Faktoren und von Entscheidungen für den anderen entsteht. Zwei Menschen entscheiden sich mit der Ehe füreinander. Ihre Liebe, ihre freie Entscheidung, einander anzunehmen, bildet die Grundlage. Aber das allein ist noch keine Familie. Erst durch das Zusammenkommen von Mann und Frau entsteht Nachwuchs, wächst somit Familie. Und das Geschenk eines Kindes übersteigt die Entscheidung und das Vermögen der Partner. Es ist ein Gottes Geschenk, denn das neue Leben ist ja mehr als die Summe verschiedener Zellen. Es ist ein eigener Mensch.
Es zeigt sich, dass Familie keine theoretische Größe ist, sondern konkret, wie wir es mit dem alten Wort „Blutverwandtschaft“ auszudrücken versuchen. Gerade in der Weihnachtszeit feiern wir ja, dass das „Wort Fleisch geworden ist“. Gott hat sich nicht „nur“ entschieden, sich zu zeigen, hat sich ganz eingelassen auf eine menschliche Familie, indem sein Sohn von einer Frau geboren wurde.
Familie ist die Voraussetzung für Leben – Leben des einzelnen Menschen, Leben der Gemeinschaft. Familie ist keine juristische Erfindung, sie ist vor dem Staat, und er hat ihr zu dienen, sie zu schützen. Natürlich gibt es daneben auch andere Lebensweisen, aber für die Weitergabe des Lebens ist die Familie unverzichtbar.
Ergänzend zu unserer jeweiligen Familie hat uns Jesus eine größere Familie geschenkt, die Familie Gottes, die Kirche. In sie sind wir hineingetauft und wir leben in ihr durch unser Bekenntnis und unseren Glauben. Kinder Gottes sind wir, dafür ist Jesus Mensch geworden, Kind der Heiligen Familie. Amen.
26.12.2021, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler