logo pg liborius wagner Stadtlauringen

Download Audiodatei der Predigt

 

Predigt von Pfarrer Daigeler zum 24. Sonntag im Jahreskreis A

Liebe Schwestern und Brüder im Herrn,

viele Gläubige kennen das Gebet „Jesus, dir leb. Jesus dir sterb. Jesus, dein bin ich tot und lebendig.“ Ich habe als Kind gelernt, dass man, wenn man in die Kirche kommt, sich zunächst in die Bank kniet und still dieses Gebet spricht. Vielerorts wird es auch gemeinschaftlich als Danksagungsgebet nach der heiligen Messe gesprochen.

Der Text dieses Gebets stammt aus dem Römerbrief. Wir haben ihn heute als Zweite Lesung gehört. Es ist ein großes Wort. Vielleicht sind wir uns bei den – im guten Sinne „eingebeteten“ – Worten gar nicht immer ihres Gewichts bewusst. „Keiner lebt sich selber, keiner stirbt sich selber“. „Wir gehören dem Herrn“. Glauben wir das?

Wir leben ja in einer Zeit, in der Selbstverwirklichung und Selbstbestimmung ganz groß geschrieben werden. Und auch wir sind „Kinder unserer Zeit“. Mein Leben soll nicht mein Eigentum sein, nicht gänzlich in meiner Verfügungsgewalt sein?

Der Apostel Paulus spricht vom Christsein, von der Taufe als einer Lebensübergabe an Christus, doch fangen wir ein wenig niederschwelliger an. Was bringt uns eigentlich zu der Annahme, mein Leben sei mein „Eigentum“? Habe ich es selbst geschaffen oder erworben? Nein. Jeder von uns hat das Leben empfangen, von den Eltern, in der Familie, durch die Begleitung, Erziehung und Förderung anderer. Freilich habe ich das Meine dazu getan. Aber ich verdanke mich nicht allein mir selbst. Wir verdanken uns mindestens ebenso anderen. Als Glaubende fassen wir das zusammen in dem Bekenntnis, dass unser Leben Gabe des Schöpfers ist – und letztlich sein Eigentum ist und bleibt, das er uns anvertraut hat gleich dem König im Evangelium, in dessen Schuld seine Knechte stehen.

Ich bin mir bewusst, dass keineswegs alle Zeitgenossen, ja nicht einmal alle Katholiken diese Sicht des Lebens teilen. Papst Benedikt hat in seiner Rede im Deutschen Bundestag für diese Fragestellung auf etwas hingewiesen, das den Blick ergänzt. Unsere Sicht auf die Welt, die Natur, die Schöpfung hat sich in den letzten Jahrzehnten verändert. Die ökologische Bewegung hat das Bewusstsein geschärft, dass die Erde nicht einfach ein Rohstofflager ist, aus dem man sich unbegrenzt und folgenlos bedienen kann, so als ob sie unser „Eigentum“ wäre. Jeder Eingriff hat Folgen. Es gibt so etwas wie die Würde der Schöpfung, es finden sich in ihr Regeln, die es zu achten gilt, wenn wir die Schöpfung nicht zerstören wollen. Diese Regeln müssen nicht beschlossen werden, sie lassen sich bei aufmerksamer Beobachtung erkennen. Die Theologie nennt das „Naturrecht“. Und für den Mensch als Teil der Schöpfung Gottes gilt das ebenso. Es gibt, so sagte es Papst Benedikt treffend, auch eine „Ökologie des Menschen“. Dort, wo der Mensch meint, sein Leben sei allein sein Eigentum, es sei nur in seiner Verfügungsgewalt ganz nach eigenem Belieben, da zerstört der Mensch sich selbst. Und nicht nur Abhängigkeiten und Suchtkrankheiten belegen dies…

Nimmt es also dem Menschen etwas von seiner Freiheit, wenn er bekennt: „Wir gehören dem Herrn. Ich gehöre dem Herrn.“ Nein, dieses Anerkennen des Verdanktseins führt mich in die Weite und Schönheit des Lebens. Mein Leben ist eine Gabe, ein Geschenk des „Königs“, ja unseres Gottes. Es ist – wie es das Gleichnis mit der unvorstellbaren Summe von zehntausend Denaren sagt – von unschätzbarem Wert. Und wo ich hinhorche und hinschaue auf den Herrn, auf Jesus, da lerne ich von ihm das rechte Menschsein, da lerne ich von ihm, wie das Leben gelingt. Denn er nimmt nichts, von dem, was unser Leben schön macht. Im Gegenteil, er lässt es uns erst entdecken.

Als Getaufte haben wir unser Leben Christus übergeben. Ihm zu gehören, macht uns frei von all denen, die uns letztlich nur etwas verkaufen oder uns ausbeuten wollen. Ihm zu gehören, schenkt uns die wahre Freiheit – Freiheit von der Sünde, ja, so verheißt er es uns, Freiheit selbst vom Tod. Darum beten wir: „Jesus, dir leb. Jesus dir sterb. Jesus, dein bin ich im Leben und im Tod.“ Amen.

13.09.2020, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler

­