Predigt von Pfarrer Daigeler zum 5. Fastensonntag (Texte Lesejahr A)
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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, Menschen, die uns kennen und begleiten, sind für uns kostbar – gerade in schweren Stunden. Denn, was macht uns mehr Angst oder Sorge als Einsamkeit und Verlassenheit? Wenn jemand allein im Dunkeln ist, wird er sich fürchten oder zumindest unsicher sein. Das, was uns in einer solchen Situation Sicherheit gibt, ist eine vertraute Stimme – die uns beim Namen nennt, die uns sagt: Ich bin da.
Im eben gehörten Evangelium wird das überdeutlich. Jesus ruft den Lazarus bei seinem Namen. „Lazarus, komm heraus!“ Und die machtvolle Stimme Jesu dringt selbst in die Grabkammer, dringt selbst in das Dunkel und die Einsamkeit des Todes. Und dort, wo im Tod keine endgültige Verlassenheit mehr ist, da ist Leben. Jesus drückt das gegenüber den Schwestern des Lazarus so aus: „Ich bin die Auferstehung und das Leben.“ Maria und Marta hören diese Frohe Botschaft und sie sehen mit eigenen Augen die Macht und Wirkung der Worte Jesu.
Dieses wunderbare Evangelium will uns auf das Osterfest vorbereiten. Wir feiern und gedenken, dass Jesus selbst in Dunkelheit des Todes gestiegen ist. Er hat die Verlassenheit des Sterbens auf sich genommen – bis zur letzten Konsequenz des Kreuzes. Doch er ist auferstanden. Dass Jesus sich unserem Tod ausgesetzt hat, hat unseren Tod für immer verändert. Auch dort, wo wir Verlassenheit erleben, selbst dort, wo wir die Hand geliebter Menschen loslassen müssen und ihre vertraute Stimme nicht mehr hören – auch dorthin dringt die machtvolle Stimme Jesu. Denn er ist selbst dort hingegangen. Er hat das Tor des Todes durchschritten. So hat er Licht in das Dunkel getragen, so hat er seine Anwesenheit in die Verlassenheit gebracht. So hat er sie gewandelt. „Deinen Gläubigen, o Herr, wird das Leben gewandelt nicht genommen“, beten wir im Requiem.
Darum dürfen und müssen wir als Christen anders über das Sterben denken. „Wer glaubt, der ist nie allein – im Leben nicht und auch im Sterben nicht.“ Diese Frohe Botschaft ist die Mitte der Fasten- und Osterzeit. Sie ist die Mitte unseres christlichen Glaubens. Diese Botschaft ist unsere Zuversicht.
In unserer Taufe hat Gott uns beim Namen gerufen. Er hat uns gesagt: „Du bist mein geliebtes Kind.“ Dieses Geschehen drücken viele Christen Weisen aus. Oft verbinden wir nämlich die Namensgebung mit der Taufe. Das tun Eltern beispielsweise, wenn sie ihr Kind bald nach der Geburt taufen lassen. So wird deutlich: Wie deine Eltern dich rufen und wie Gott dich ruft, das gehört zusammen. In manchen Ländern macht man das deutlich, indem man dem Täufling einen christlichen Namen, einen Heiligennamen gibt – manchmal zusätzlich zu seinem Rufnamen. Im Englischen heißt der Vornamen sogar „christian name“, also „christliche Name“. In diesem Angesprochensein durch Gott kommt der eben benannte Glaube zum Ausdruck. Wir glauben, dass Gott, der uns in der Taufe bei unserem Namen gerufen hat, auch in unserer letzten Stunde bei unserem Namen ruft. Und sein Ruf geht ins Leben. Das ist der „Taufbund“.
Dennoch ist das kein „Automatismus“. Denn der Taufbund hat ja zwei Seiten. Zuerst ist er ein Versprechen Gottes an uns. Gleichzeitig ist er unser Versprechen an Gott, dass wir zu ihm halten, dass wir uns an ihn und an seine Gebote halten. Das Wichtigste ist aber, dass wir mit seiner Stimme vertraut werden und bleiben, damit wir sie erkennen, wenn sie uns beim Namen ruft. Vertraut mit der Stimme Gottes werden wir durch das tägliche Gebet und durch den Gottesdienst. Hier stärken wir unsere Verbundenheit mit dem Herrn, damit wir mit ihm leben, damit wir auf ihn hören, damit wir in ihm Auferstehung und Leben finden. Amen.
21.03.2021, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler