Predigt von Pfarrer Daigeler zum Palmsonntag
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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, in den Nachrichten ist von einer „Corona-Müdigkeit“ zu hören. Menschen sind erschöpft oder nervlich angegriffen durch den anhaltenden Ausnahmezustand. Andere sind verärgert, dass sich Verbesserungen nicht schneller einstellen, wieder andere sind verunsichert, was die neuen Meldungen bedeuten und bringen werden. Inmitten dieser Lage feiern wir die Heilige Woche. Gott sei Dank können wir gemeinsam Gottesdienst feiern am heutigen Palmsonntag, denn wir müssen sie mit eigenen Ohren hören die Frohe Botschaft vom Kreuz Christi. Wir müssen miteinander den Trost des Glaubens teilen, der in dem Wissen darum liegt, dass der Herr selbst mit uns und für uns gelitten hat, wie wir es in der Passion eben gehört haben.
Gerade eine verunsicherte Welt, gerade hoffnungslose oder enttäuschte Menschen brauchen diese Frohe Botschaft. Der Evangelist Markus erzählt vom Weg, den Jesus gegangen ist – von seinem Einzug in Jerusalem, über Todesangst und Verrat, bis hin ans Kreuz. Jedes Kreuz in unseren Wohnungen, an Wegen oder auf Plätzen ruft uns diese Mitte unseres Glaubens in Erinnerung.
Der Passion ist eine Lesung aus dem Buch Jesaja voran gestellt. Hier ist die Rede von einem Knecht, der in die „Schule“ Gottes geht. Diese „Schule“ ist keine leichte, sie ist vielmehr eine Leidenswerkstatt. Wie eben die Schule Schüler für das Leben rüstet, soll es auch beim Gottesknecht sein. Sein Auftrag lautet: „Gott, der Herr, gab mir die Zunge von Schülern, damit ich verstehe die Müden zu stärken durch ein aufmunterndes Wort.“ Doch er darf nicht vorschnell oder oberfläch das Wort ergreifen. Er muss zuerst selbst, am eigenen Leib erfahren, was Verlassenheit und Schläge bedeuten. Damit seine Worte nicht bloße Phrasen sind. Das aufmunternde Wort kann nur trösten und andere aufrichten, wenn es ehrlich errungen ist.
Dazu muss der Gottesknecht zunächst Hören. Hören wie ein Schüler, der noch nicht alles zu wissen oder zu verstehen meint, sondern der zuerst hinhorcht auf Gottes Wort und Weisung. Der Mensch weiß und kann nicht alles. Er muss wieder neu lernen hinzuhören, was Gott uns auf vielfältige Weise sagt: durch die Heilige Schrift, durch das Beispiel Jesu, durch das Glaubenszeugnis der Kirche,…
Der zweite Schritt ist nicht minder schwer. Denn es geht darum Leiden auszuhalten. Nicht sich zu beschweren: Warum trifft es mich, warum habe ich es so schwer…? Sondern geduldig aushalten. Denn nur im Durchstehen einer Krise kann ich den Ausweg finden. Erst im Tragen des Kreuzes erfahre ich den Trost, dass der Herr es mit mir trägt. All das gründet im Vertrauen.
Das Wagnis des Vertrauens ist von uns gefordert – auch in der gegenwärtigen Zeit. Und hier können wir als Christen ein starkes Zeugnis geben. Nicht durch Beschwerden, nicht durch panisches Ängstigen, sondern durch Stärke, die aus unserem Gottvertrauen kommt. Für Christus war der Kreuzweg der Weg ins Leben. Glauben wir daran? Merkt man uns konkret diesen Glauben an in unserer Haltung, die wir in dieser Zeit an den Tag legen? Erbitten wir durch die Feier der Heiligen Woche, dass wir selbst in diesem Gottvertrauen gestärkt werden und dass wir andere stärken durch ein aufmunterndes Wort und vor allem durch unser Leben in der unerschütterlichen Zuversicht, die uns der Glaube an den Gekreuzigten schenken will. Amen.
28.03.2021, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler