Predigt von Pfarrer Daigler zum 29. Sonntag im Jahreskreis B
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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, der Wunsch gekannt und anerkannt zu sein, ist jedem Menschen eigen. Das ist auch in Ordnung. Wir brauchen es für ein gutes Leben, dass uns jemand sieht und beachtet. Ein Kind, das auf die Welt kommt, könnte ohne dies gar nicht überleben. Aber auch Erwachsene brauchen immer wieder Anerkennung in Partnerschaft und Freundschaft, daheim und im Beruf...
Gleichzeitig geschieht vieles, was kaum Beachtung findet und dennoch lebensnotwendig ist. Denken wir an Mütter und Väter, die ihren Kindern Aufmerksamkeit und Zeit schenken, die ihre Kinder begleiten und fördern, damit sie einen guten Weg ins Leben finden. Denken wir an Menschen, die Besuche machen in Krankenhäusern und Pflegeheimen, die zuhören und so Hoffnung stiften. Denken wir an die vielen Menschen, die sich ehrenamtlich in Vereinen und Gruppen engagieren, auch in unserer Kirche, die mithelfen, wenn das Gotteshaus geputzt wird oder beim Pfarrfest aufgebaut wird, damit Gemeinschaft gelingt.
All das ist wertvoll, ja notwendig zum Leben und doch steht es nicht im Blick der Öffentlichkeit, findet eher selten Anerkennung. Unsere Zeit wird geradezu magisch angezogen von den vielen Bildern der Promis und Influenzer im Netz. Was sie von sich zeigen und erzählen, erfährt Aufmerksamkeit und Beifall, obwohl es selten ein Beitrag für die Gemeinschaft ist.
Ganz offenkundig suchen die Jünger Jesu seine Anerkennung. Johannes und Jakobus bieten sich im Evangelium für eine hervorgehobene Stellung im Königreich Jesu an. Auch wenn das die anderen Apostel kritisieren, komplett fremd wird ihnen dieses Denken wohl nicht gewesen sein. Darum gibt ihnen Jesus ein paar Worte zum Nachdenken mit. In diesen Worten spricht er gleichzeitig über sich selbst und über diejenigen, die ihm nachfolgen wollen. Beides gehört für Jesus stets untrennbar zusammen.
„Wer bei euch der Erste sein will“, der stelle sich an die unterste Stelle. Wer der Führende sein will, der werde wie der Dienende. Wir wissen, dass wir das auch in der Kirche nicht immer ganz einholen und erfüllen. Das Wort kann auch missbraucht werden, um berechtigte Anliegen von Menschen nach Beachtung abzuweisen. Was aber meint es?
Es führt uns in das Lebensgeheimnis Jesu. Er lädt seine Jünger ein, in neuer oder anderer Weise auf die Welt zu schauen. Nicht im Festhalten gewinnen wir das gute Leben, sondern im Verschenken. Nicht im Vordrängen erhältst du Anteil an der Gemeinschaft, sondern im Einbringen deiner Gaben. Nur wenn jeder etwas von sich gibt, gelingt das Leben – das eigene wie das der anderen. Und Jesus geht soweit zu versprechen, dass wer etwas von Herzen gibt, immer auch selbst beschenkt wird. Und haben wir nicht selbst schon diese Erfahrung gemacht – in unserem Einsatz im Ehrenamt, bei einem Krankenbesuch, in der Sorge um Kinder und Enkel?
Wir selbst wurden dabei beschenkt. Das kann aber nur erfahren, wer sich auf dieses Experiment einlässt. In diesem Sinne ist der Weg, auf den Jesus seine Freunde ruft, immer ein Wagnis. Darum ist der Herr selbst uns vorausgegangen. Er kann „mitfühlen mit unseren Schwächen“. An ihm sehen wir, was Jesaja prophezeiten: „Nachdem er so vieles ertrug, erblickt er das Licht.“ Amen.
20.10.2024, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler