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Predigt von Pfarrer Daigeler zum 6. Ostersonntag B

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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, in den teils heftig geführten Debatten in der Kirche in unserem Land, wer nun wen oder was und aus welchem Grund segnen oder nicht segnen darf, wer Ämter oder Leitung übernehmen darf oder soll, wer dieses oder jenes in der Vergangenheit richtig, angemessen oder falsch gemacht hat, hören wir das heutige Evangelium. Und das ist wichtig und wesentlich. Denn bei aller Diskussion, ob nun die katholische Kirche „am deutschen Wesen genesen“ soll oder kann, oder ob mit einem Wort aus Rom „die Sache beendet“ ist, müssen wir immer wieder hinhören auf das, was uns der Herr sagt.

Und da geht es nicht um persönliche oder subjektive Annahmen, was wir meinen, was Jesus heute tun würde oder wie er sich verhalten würde. Hier wird ihm ja gerne das unterstellt, was der eigenen Meinung am nächsten liegt. Es geht um das, was wir mit Gewissheit als sein Wort und seine Weisung kennen. Und das finden wir im Evangelium, wie es uns von der Kirche durch die Jahrhunderte überliefert worden ist. Schauen wir also in den heutigen Abschnitt aus dem Johannesevangelium.

Für uns als Menschen des dritten Jahrtausends klingt das Schlüsselwort nicht spektakulär. Wir sind „Gleichheit“ gewohnt. Kein Mensch steht über einem anderen. Könige gibt es längst nicht mehr. Politische Verantwortungsträger sind von uns gewählt, haben sich vor uns zu rechtfertigen, dürfen von jedem nach Belieben kritisiert werden… Ähnliches wird inzwischen auch auf die Kirche und ihre Amtsträger übertragen. Und der Schritt, das selbst auf Gott zu übersetzen, ist nicht mehr weit. „Gott“ dient vielen als eine Art Anregung für interessante Gedanken zur Lebensgestaltung, als gute Macht, die alle Wege segnet, die ich wähle…

Eine Vorstellung, dass Gott Herr, König oder Weisungsgeber sein könnte oder dass er als Richter einmal die Einhaltung seiner Gebote einfordern würde, solche Vorstellungen sind den meisten Menschen heute fremd. Für die Zuhörer Jesu waren sie das keineswegs. Darum sind sie umso mehr angerührt, wenn Jesus sagt: „Ich nenne euch nicht mehr Knechte“. „Vielmehr habe ich euch Freunde genannt“.

Jesus definiert Jüngerschaft als Freundschaft. Ja, er legt den Glauben als freundschaftliches Geschehen dar. Und er findet damit Zustimmung. Schließlich laden später auch seine Jünger andere Menschen in diese Freundschaft zu Jesus ein und nehmen sie so auf in die Kirche, wie wir es in der Ersten Lesung hörten.

Das ist wichtig zu bedenken. Der christliche Glaube ist ein Beziehungsgeschehen gleich einer Freundschaft. Es geht um ein lebendiges Du, das uns Gott ist, der uns in seinem Sohn Jesus angesprochen hat, damit wir ihm mit unserem Glauben antworten, damit wir uns mit unserem ganzen Leben auf ihn einlassen.

Aber was ist das „Freundschaft“? Meint das einfach salopp gesagt: „Ich bin ok, du bist ok. Jeder macht sein Ding“…? Ein lateinisches Sprichwort definiert wahre Freundschaft als: „Idem velle atque idem nolle“, zu Deutsch: „Dasselbe wollen sowie dasselbe nicht wollen“. Dieses grundlegende Verständnis ist eine Hilfe zum Verstehen. Jesus sagt: „Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage.“ Es geht also um den Einklang mit dem Willen Jesu. Freundschaft heißt, zu wollen, was Jesus will, und zu meiden, was er ablehnt. Der Glaube ist kein Freibrief, der alle Moden und Meinungen absegnet.

Natürlich ist jeder Mensch willkommen. Für alle Menschen hat Gott seinen Sohn gesandt und hingegeben, so dürfen wir es der Zweiten Lesung entnehmen. Freilich sind wir schwache Menschen. Wir bleiben immer hinter dem Anspruch Jesu zurück. Wer von uns könnte schon behaupten, dass er stets alle Menschen liebt, selbst seine Feinde. Aber das ist gar nicht die Frage. Der Weg, den uns der Glaube zeigt, ist es, immer neu zu beginnen. Die Einladung, die Jesus ausspricht, ist, sich immer wieder nach ihm und seinem Beispiel auszustrecken. Er richtet uns auf. Er ist ein treuer Freund, der uns nie im Stich lässt. Doch nur in seinem Willen und seiner Weisung ist das gute Leben zu finden – das Leben, das hier und heute gelingt, und das Leben in seiner Ewigkeit. Amen.

09.05.2021, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler

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