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Predigt von Pfarrer Daigeler zum 32. Sonntag im Jahreskreis A 

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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, „Gesundheit ist das Wichtigste“, hört man nahezu bei jedem runden Geburtstag vor allem in höherem Alter. Und keiner widerspricht. Kaum jemand traut sich, Wasser in den Wein dieser verbreiteten Lebensphilosophie zu gießen, obwohl sie nirgends im Evangelium zu finden ist.

Darf sich ein Christ also nicht um seine Gesundheit sorgen? Dieser Umkehrschluss wäre ebenso falsch. Freilich ist uns mit dem Leben auch der Leib vom Schöpfer gegeben. Ihn zu pflegen, ihn nicht unnötigen Gefahren auszusetzen, gebietet allein schon die Achtung vor dem göttlichen Geber. Es gibt eine berechtigte Sorge und Vorsorge, aber Gesundheit ist nicht allein eingeschränkt als körperliche zu verstehen. Es gibt auch die Gesundheit der Psyche und die Gesundheit der Seele. Und über das hinaus gibt es das Ewige, das Leben, das Gott uns verheißt.

Die gegenwärtige Krise legt hier vieles offen. „Bleiben Sie gesund“, schallt es überall. Fast beschwörend. Natürlich will keiner krank sein. Doch es gibt kein Leben ohne Leiden, ohne Krankheit, ohne Sterblichkeit. Alles andere sind naive Vorstellungen, die in der Krise entlarvt werden als nicht tragfähig. Es ist eine Illusion, wir hätten alles im Griff. Es gibt nicht für jedes Problem eine Lösung in dieser Welt. Das müssen wir aushalten.

Doch genau das scheint vielen unerträglich. Wie sollte es auch anders sein in einer Welt, die sich daran gewöhnt hat, das Leben an seinem Anfang und Ende „selbstbestimmt“ in der Hand zu haben. Wir planen und entscheiden durch zahlreiche Eingriffe, ob, wann und wie ein Menschenleben entsteht. Und immer mehr Länder lassen es zu, dass über das Leben kranker, depressiver oder sterbender Menschen verfügt wird, dass dem Leben nach Ermessen ein Ende gesetzt wird. Wie ist es da auszuhalten, dass sich der Lauf der Welt plötzlich unserer Verfügung entzieht?

Es könnte die Stunde der Christgläubigen gekommen sein. Die Stunde von Menschen, die selbst im Angesicht des Todes noch das Halleluja der Geretteten singen, die vom Trost des Glaubens erfüllt sind, den der heilige Paulus uns in der Zweite Lesung bezeugt, und die diesen Trost mit anderen teilen – so wie es der Apostel mit seinem Brief tut, „damit ihr nicht trauert wie die anderen, die keine Hoffnung haben“.

Es könnte die Stunde derer gekommen sein, die das Leben als unverfügbare Gabe anzunehmen wissen – mit all den Grenzen und Zerbrechlichkeiten, die der Schöpfer seinen Geschöpfen nunmal aufgesetzt hat.

Nein, nicht die Gesundheit ist das höchste Gut, sondern der Trost und die Zuversicht des Glaubens. Wer von uns kennt nicht Menschen, deren Leben durch Krankheit oder Leiden durchkreuzt ist und die dennoch mehr Lebensmut und Zufriedenheit besitzen als manch anderer, der mit Diät und Sport dem Unausweichlichen davonzurennen sucht.

Christgläubige „vertrösten“ weder sich noch andere auf Fernes oder Zukünftiges, sie leben vielmehr hier und jetzt aus dem Trost, dass der Herr stärker ist als Krankheit und Tod. Sie sind hellwache Menschen, wie es Jesus im Evangelium anhand der klugen und der törichten Jungfrauen verdeutlicht.

Die gegenwärtige Krise ist ein Ruf zu mehr Glauben, zu mehr Gottvertrauen. Wer glaubt, dem weitet sich der Blick, dem weitet sich das Leben. Denn das, was wir hier sehen, ist nicht das Einzige, nicht das Letzte, nicht der Tag, aus dem wir alles herausholen müssen. Wir erwarten – wie die klugen Jungfrauen – den Herrn, der wiederkommt, der unsere Tränen trocknet, der unsere Mühen kennt durch sein eigenes Leiden, der auferstanden ist und der uns „in den Hochzeitssaal“ zum Fest des Lebens führt, wenn er uns wachend findet, wenn er kommt. Amen.

08.11.2020, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler

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