Predigt von Pfarrer Daigeler zum 5. Sonntag im Jahreskreis C
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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, einen Fischer, der nichts gefangen hat, zur Führungskraft bestellen? Würden Sie das machen? Derzeit bewerben sich im Wahlkampf zahlreiche Personen um Spitzenämter in unserem Staat. Keiner von ihnen würde wohl in seine Bewerbung schreiben: Ich kann es nicht… Warum erzählt uns also die Berufungsgeschichte der ersten Apostel zunächst von einer erfolglosen Aktion? „Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen“, sagt Petrus zu Jesus.
Klar und deutlich werden in der Heiligen Schrift die Begrenztheiten und Schwächen der Propheten und Apostel genannt. Es sind Menschen wie wir, keine Superhelden. Der Prophet Jesaja darf einen Blick in den Himmel werfen, er darf die Herrlichkeit Gottes sehen, doch er geht nicht davon aus, dass er als „frommer Mann“ das verdient habe. Nein, beschämt erkennt er seine Sünden. „Weh mir“, ruft er aus. Wie könnte ich bestehen vor dem allheiligen Gott? Ähnliche Worte hören wir von Petrus nach dem reichen Fischfang: „Herr, geh weg von mir. Ich bin ein sündiger Mensch.“
Offenkundig geht es in den biblischen Lesungen heute um das Thema Berufung. Dieses Wort wird heute unterschiedlich verwendet. Viele meinen, „Berufung“ ist es, den Beruf zu finden, der zu mir passt, der mir Freude macht, zu dem ich mich „berufen fühle“. Das ist legitim, aber im biblischen Sinne meint Berufung vor allem, das, wozu ich „gerufen werde“. Der Herr beruft die Jünger. Es ist seine Initiative. Und viele Berufungserzählungen im Alten Testament sprechen davon, dass die Propheten zunächst weglaufen vor der gestellten Aufgabe, wie sie ihr Unvermögen benennen oder dass sie die Berufung sogar manchmal als Last erfahren.
Das entscheidende Wort im Evangelium sagt Petrus: „Auf dein Wort hin“, weil du es sagst, Herr, werde ich die Netze auswerfen. Eine christliche Berufung wächst nicht, wo ich sage: „Ich bin der Beste für diese Aufgabe, nimm mich.“ Nein, ich kann es eben nicht. Freilich fallen mir gute Worte ein, aber den wirklichen Trost für die Trauernden hat nur der Auferstandene. Freilich kann ich erzählen, dass Gott uns nahe ist, aber die wirkliche Gegenwart kann uns nur der Herr im Sakrament schenken. Freilich kann ich es sagen, dass es wieder gut wird, aber die echte Versöhnung vermag uns nur Christus in der Beichte zu schenken. Und das kann kein Mensch, das kann nur ER.
Und doch ruft der Herr Menschen – damals wie heute. Die Stimme des Herrn fragt: „Wen sollen wir senden?“ – Jesaja antwortet schlicht: „Hier bin ich, sende mich.“ Das ist der Weg, den Gott gewählt hat, damit sein Wort zu den Menschen gelangt, damit seine Gegenwart gefeiert und verkündet wird: konkrete Menschen. Verkündigung braucht Verkörperung. Jesus ruft Menschen, die um ihre Schwachheit wissen – Menschen, die auf sein Wort hin handeln. Und je mehr sie ihm vertrauen, desto fruchtbarer wird ihr Wirken.
Unsere Zeit braucht Priester und geistliche Menschen. Ich kann jeden jungen Menschen nur ermutigen zu fragen, ob ihn der Herr ruft. Nur wo konkrete Menschen ihre Zeit und Kraft, ja ihr Leben zur Verfügung stellen, wird die Kirche Zukunft haben. Strukturen und Organisationsformen sind wichtig, aber bedeutungslos ohne glaubende Menschen.
Natürlich gibt es immer wieder Unsicherheit oder Debatten darüber, ob das denn wirklich ausreicht. In Korinth meinte man, besonders charismatisch begabte Menschen sollten die Gemeinde führen, Menschen, die in Zungen reden oder Vision haben… Aber der heilige Paulus verwirft das. Es ist nicht entscheidend, noch bedeutend. Der feste „Grund, auf dem ihr steht“, schreibt er, ist das Evangelium, das Christus für uns gestorben und auferstanden ist. Das zu verkünden, ist die Berufung aller Christen und besonders der Geistlichen. Denn „durch dieses Evangelium werdet ihr gerettet“. Amen.
09.02.2025, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler