logo pg liborius wagner Stadtlauringen

Predigt von Pfarrer Daigeler zum 22. Sonntag im Jahreskreis B

Download Audiodatei der Predigt

Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, das heutige Evangelium wirft unter anderem die Frage nach der Verpflichtung bzw. des Verpflichtungsgrades von Regeln auf. Hier geht es offenkundig um religiöse Reinigungsvorschriften. Uns mag die Frage möglicherweise belanglos erscheinen. Wir kennen diese speziellen Regeln nicht mehr. Dennoch ist die tieferliegende Grundsatzfrage zu jeder Zeit bedeutsam. Wie finden wir Gewissheit darüber, was zu gelten hat, was zu tun oder zu lassen ist?

Hier stehen – wie so oft – verschiedene Positionen im Raum. Es gibt die Versuchung, sämtliche Regelungen religiös zu begründen. Das gibt es aber nicht nur in der Religion. Speisevorschriften begegnen uns mit großem, ideologischem Impetus etwa auch in der „Veganen Bewegung“, wo teilweise von der Ernährungsweise das Überleben der Menschheit abhängig gemacht wird…

In der heftigen Auseinandersetzung, die Jesus mit den Pharisäern führt, verwirft er nicht solche oder andere Regeln an sich. Er führt vielmehr eine wichtige Unterscheidung ein: Das sind „Satzungen von Menschen“, sagt er. Nicht jede Regel ist also göttlich begründet. Anders ist es etwa mit den Zehn Geboten. Aus ihnen wissen wir mit Gewissheit, dass etwa Mord immer falsch ist. Das ist ein göttliches Gebot und keine menschliche Macht, keine Mehrheit, kein Parlament und auch nicht mein subjektives Empfinden kann daran etwas ändern, dass Mord immer böse ist.

Nun gibt es eine weit verbreitete Haltung, die man als Relativismus bezeichnet. Gemeint ist die Annahme, dass jeder eben doch selbst am besten wisse, was gut und richtig ist – oder eher was gut und richtig für ihn ist. Universal und für jeden gültige Regeln und Gebote gibt es mit dieser Herangehensweise nicht mehr. Bestenfalls gibt es Mehrheitsentscheidungen, das heißt, die Mehrheit hat sich auf diese Regel geeinigt. Diese gilt dann, solange die Mehrheit besteht.

Das ist bei zahlreichen Fragen ein probates Mittel. Und wird man vermutlich auch bei sehr gewichtigen Fragen oft Übereinstimmung finden. Etwa das erwähnte Beispiel Mord. Kaum jeder wird sagen, dass Mord etwas Gutes oder Erlaubtes sei. Obwohl dieser Konsens an den Grenzen des Lebens bröckelt, wenn wir an das ungeborene Leben im Mutterleib denken oder an die Euthanasie an alten und kranken Menschen… Die Mehrheit allein, reicht also nicht als Kriterium. Woher bekommen wir also Gewissheit, was zu tun ist, was gut und richtig ist?

Die Frage kann hier natürlich nicht umfassend beantwortet werden. Aber aus den biblischen Lesungen dieses Sonntags bekommen wir doch wichtige Impulse. Da würde ich zuerst nennen: Kennen wir die Heilige Schrift? „Hört und ihr werdet leben“, hieß es in der Ersten Lesung aus dem Buch Deuteronomium. Gott teilt sich mit, damit das Leben gelingt. In der Lesung hieß es sogar, dass das Halten der Gebote der Ausweis der „Weisheit und Bildung“ des Volkes Gottes ist. Wir sind eingeladen, das Wort Gottes zu lesen und im Gottesdienst zu hören.

Das Hören allein reicht aber noch nicht, so die Zweite Lesung. „Werdet Täter des Wortes“, sagt der heilige Jakobus. In der Lesung wird als Beispiel der Blick für die Notleidenden genannt und ihnen tatkräftige Hilfe zu leisten. Es geht aber ebenso darum, sich prägen zu lassen von Gottes Weisungen. Dort, wo wir vertraut sind mit Gottes Wort, dort, wo wir beständig nach seinen Weisungen leben, dort sind wir auch gefestigt, wenn neue Herausforderungen kommen, wenn sich Fragen stellen, auf die es nicht sofort eine Antwort gibt. Das „Eingeübtsein“ im Guten und Richtigen hilft uns dann auch im Zweifel. Auch das Gute braucht Übung und Training.

Schließlich ein Drittes, sagen wir nicht vorschnell: „Es darf nur so gemacht werden…“ Als Menschen unterliegen wir alle der Schwachheit und der Irrtumsanfälligkeit. Das lehrt uns Jesus im Evangelium. Aber verfallen wir auch nicht leichtfertig in das andere Extrem, das sagt: „Das musst doch jeder selber wissen…“ Das sagt Jesus nicht. Er verweist ja auf die Gottesgebote, die immer gelten. Aber bei manchen Fragen braucht es menschliche Klugheit und Forschung, die im Licht des Glaubens beleuchtet werden, um zu einer guten Entscheidung zu kommen. Ein wichtiger Faktor kann zum Beispiel der Erfahrungsschatz der Kirche sein. Es gibt in der Kirche Regeln, die nicht göttlichen Ursprungs sind und die dennoch richtig und wichtig sind, weil sie aus einer großen Glaubenserfahrung kommen, weil sie mit dem langen Atem der Kirche geprüft sind.

Machen wir uns vertraut mit dem Wort Gottes, leben wir es und bitten wir den Heiligen Geist, dass er unsere Geisteskräfte schärft für gute Entscheidungen und Unterscheidungen, dass er uns stärkt im Guten, auf dem Weg Jesu. Amen.

29.08.2021, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler

­