Predigt von Pfarrer Daigeler zur Jahresschlussandacht 2020
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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, „einen guten Beschluss“. Das ist ein besonderer Wunsch am Jahresende, den es nur in wenigen Gegenden gibt. Bei uns sagt man es: „Einen guten Beschluss“. Beim Nachdenken über das zurückliegende Jahr kam mir dieser Wunsch in den Sinn. Nicht nur weil es ein so außergewöhnliches Jahr war, und weil viele Menschen sich danach sehnen, dass der Ausnahmezustand und die ständigen Einschärfungen von Regeln und die Warnungen endlich ein Ende haben, sondern ich habe überlegt, was die Alten wohl mit diesem Wunsch ausdrücken wollten.
Wir sind es heute gewohnt, dass wenn jemand den 70. Geburtstag feiert, wir selbstverständlich davon ausgehen, dass er auch den 80. und womöglich auch den 90. Geburtstag erreicht. Das drücken auch die Gratulanten brav aus: „Gesundheit ist das Wichtigste… Und noch viele, gesunde Jahre…“
Freilich ist das gut gemeint und auch verständlich. Wer von uns würde sich ehrlich gesagt das Gegenteil wünschen oder ersehnen? Dennoch ist es nicht selbstverständlich. Keiner weiß, was ihm das neue Lebensjahr oder das nächste Kalenderjahr 2021 bringen wird. Wer von uns hätte am letzten Silvestertag nur annähernd sagen können, wie das Jahr 2020 werden würde? Haben wir nicht alle Pläne gemacht, von denen viele durchkreuzt wurden?
Der Wunsch vom „guten Beschluss“ zeugt für mich von einem gesunden Realismus früherer Generationen. Es ist etwas Wichtiges, zuerst das alte Jahr gut zu Ende bringen. Es ist ein Geschenk, dass wir es überhaupt vollenden durften. Manche Weggefährten haben wir auch in diesem Jahr zu Grabe getragen…
Es ist ein Geschenk, dass wir das Jahr vollenden durften. Das ist wie mit dem Geburtstag. Er ist ja keine Versicherung für das Kommende. Er ist keine Leistung, die ich mir verdient hätte. Er ist Grund zu Dankbarkeit für das, was mir geschenkt wurde.
Unlängst habe ich auf einem Hemd gelesen: „Thank you for nothing“. Und das Wort, das zu deutsch „Danke für nichts“ bedeutet, wurde vom Träger des Hemdes in einer Fernsehsendung noch bekräftigt. Das ist natürlich grober Unsinn. Jeder hat anderen etwas zu verdanken. Niemand hat sein Leben selbst geschaffen. Niemand hat einen Anspruch auf das Leben oder auf einen bestimmten Verlauf des Lebens. Auch wenn ich das Meine dazu getan habe, das Meiste ist Verdanktsein.
Dieses Krisenjahr könnte uns vor allem Demut lehren. Demut zu sehen, wie wenig der Mensch „im Griff“ hat. Demut, dass wir begrenzte, ja sterbliche Menschen sind und bleiben. Die Corona-Krise ist auch ein memento mori. Sie erinnert uns an die Sterblichkeit, die wir fast komplett aus unserem Leben verdrängt haben. Doch wie auch sonst macht das Verdrängen die Probleme meist noch größer anstatt sie zu lösen.
Wir dürfen heute dankbar sein, wenn uns ein „guter Beschluss“ dieses Jahres gelungen ist und geschenkt wurde. Und wir dürfen mit Zuversicht in das neue Jahr gehen. Nicht weil wir ein Recht oder einen Anspruch darauf hätten, sondern weil es ein Geschenk ist aus den Händen des Schöpfers, der es gut mit uns meint. Er kennt bereits jeden Tag des neuen Jahres. Doch seine Pläne und Wege können wir nie zur Gänze fassen und verstehen. Er hat uns aber in der weihnachtlichen Botschaft eine Zusage gegeben, die uns Mut macht. Er hat uns in seinem Sohn den Weg gezeigt, wie das Leben gelingt, nämlich indem wir Jesus nachgehen, indem wir seinen Spuren folgen – und indem wir darauf vertrauen, dass selbst dort, wo wir am Ende sind, in Jesus Zukunft, Auferstehung und Leben ist.
Wer ihm vertraut, dessen Jahr, dessen Leben wird neben frohen auch schwere Stunden bringen, doch es wird gesegnet sein – denn in Jesus ist mehr Zukunft und Leben als diese Welt zu geben vermag. Amen.
31.12.2020, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler
