Predigt von Pfarrer Daigeler zum Karfreitag
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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, mit den Kommunionkindern besuchten wir bisher jedes Jahr den Karmel in Rödelmaier. Die Schwestern dort haben viele Jahre unsere Hostien gebacken. Aus Mangel an Nachwuchs werden sie leider ihr Kloster aufgeben.
Bei dem Besuch geht es nicht nur um Backzutaten. Die Schwestern versuchen, den Glauben zu erschließen: Was ist die heilige Kommunion, auf die wir gestern am Gründonnerstag geschaut haben? Theologisch geht es beim Verzehr der Eucharistie um die Hingabe Jesu, um sein Kreuzesopfer. Es geht darum, dass er tatsächlich sein Leben für uns gegeben hat.
Kinder stellen gerne Fragen, manchmal auch grundlegende. So fragte heuer eines der Kommunionkinder, als die Schwester eben diese Bedeutung der heiligen Kommunion erklärte: „Warum müssen wir eigentlich sterben?“
Natürlich ist das nicht mit einem Satz zu beantworten. Und es für Kinder verständlich zu beantworten, ist nicht leichter. Doch ich meine Schwester Clara Maria hat es gut gemacht. Für sie war diese Frage nicht erschreckend. Auch wenn solche Fragen heute selten ausgesprochen werden, ist es eine ganz natürliche Frage.
Warum erzähle ich das? Der Karfreitag stellt ganz grundlegende menschliche Fragen: Warum müssen wir leiden? Warum müssen wir sterben? Hat das einen tieferen Sinn?
Man braucht den jährlich zelebrierten Protest gegen diesen „Stillen Tag“ nichtzu verstehen. Man mag sich wundern, weshalb die übrigen 364 Tage des Jahres nicht zum Tanzen ausreichen. Im Kern, meine ich, wehrt man sich gegen die Grundfragen des Karfreitags. Man will nicht an Grenzen, an Sterblichkeit erinnert werden.
Es gibt unterschiedliche Erklärungen für unsere Sterblichkeit. Einige werden auf den biologischen Vorgang von Werden und Vergehen weisen. Alle Pflanzen, Tiere und Menschen wachsen zunächst heran. Und es gibt offenbar eine Grenze dieses Wachstums, die in das Vergehen mündet. Aber ist das nur ein biologischer Vorgang? Die Tatsache, dass wir uns nicht selbst gemacht haben, sondern gezeugt und geboren wurden, sagt, dass wir uns anderen verdanken. Die Tatsache, dass wir sterben müssen, sagt, dass unser Leben nicht unser Besitz ist, sondern eine Gabe ist, die uns anvertraut ist. In der Sprache des Glaubens könnten wir das mit einem Wort zusammenfassen: Wir sind Geschöpfe.
Wir brauchen den Karfreitag, denn er erinnert eine ganze Gesellschaft, ob gläubig oder ungläubig, an diese Wirklichkeit. Wir sind Geschöpfe. Denn wo der Mensch sich selbst zu Gott macht, endet es in der Katastrophe. Das ist nicht nur in der Urerzählung von der Vertreibung aus dem Paradies zu sehen. Das sehen wir an den Kriegen dieser Tage. Das sehen wir an den Diktatoren, die sich nur von der eigenen Willkür leiten lassen. Das sehen wir an der rücksichtslosen Ausbeutung von Menschen und Schöpfung…
Die Grenzen, die uns gesetzt sind, anzunehmen, macht uns nicht unfrei. Im Gegenteil. Doch es erfordert Mut, Vertrauen, ja Glauben. Darum zeigt uns der Karfreitag das Beispiel Jesu. Er ist die Antwort. Der Evangelist Johannes verwebt in seiner Passion die äußere und die innere Wirklichkeit des Geschehens: Auf den ersten Blick gibt sich Jesus ganz in die Hände der Menschen, die ihn aus dem Weg räumen wollen und umbringen. Bei tieferem Hinsehen erkennen wir: Jesus gibt sich ganz in die Hände des Vaters. So gibt er uns die grundlegende Antwort: Unsere Grenzen, unsere Leiden, selbst unser Sterben können wir nicht leugnen oder aus eigener Kraft überwinden. Aber wir kennen den, der das vermag. Wenn wir unser Vertrauen auf ihn werfen, wird er uns tragen. Darum ist Jesus für uns gestorben. Damit wir aus seiner Hingabe leben. Damit wir folgen und so das Leben finden. Amen.
29.03.2024, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler