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Predigt von Pfarrer Daigeler zum 4. Sonntag im Jahreskreis B

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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, was können wir aus dem Evangelium an Informationen entnehmen, die uns Jesus deutlicher vor Augen stellen, die uns helfen, ihn besser kennen zu lernen? Zunächst hören wir vom heiligen Markus, dass Jesus in Kafarnaum lebt. Die Stadt, die heute nur mehr als Ausgrabungsstätte existiert, liegt am Ufer des Sees Genezareth. Mit seinem öffentlichen Auftreten ist Jesus also ausgezogen aus Nazareth. Dort haben die Menschen ihre Kategorien, in die sie Jesus einordnen: Jesus, „der Sohn Josefs“; Jesus, der „Zimmermann“… Diese Kategorien verstellen das Verstehen, wer Jesus in Wahrheit ist. Darum braucht es Abstand. Es braucht einen Orts- und Perspektivwechsel.

In Kafarnaum geht Jesus in die Synagoge. Auch wenn er eindrucksvoll zu predigen vermag, was ja seine Zuhörer ausdrücklich vermerken, hält Jesus sich zuerst an den religiösen Brauch seines Volkes Israel. Er geht am Sabbat zum Gottesdienst in die Synagoge. „Ich bin nicht gekommen, das Gesetz aufzuheben, sondern es zu erfüllen“, sagt Jesus an anderer Stelle. Jesus lebt die Treue zu den Geboten Gottes vor, weil er weiß, dass die Weisungen Gottes der Weg zu einem guten, gelingenden Leben sind – ja, der Weg zum ewigen Leben. Jesus macht es vor, damit wir es nachahmen. Auch das meint Nachfolge Jesu.

Schließlich sehen wir etwas Weiteres, das uns vielleicht nebensächlich erscheint: Jesus kann lesen. Und das meint keine göttliche Vollmacht, kein Wunder. Nein, Jesus hat als Mensch lesen gelernt – als Teil seines Volkes. Uns erscheint das heute selbstverständlich. Obwohl man – wenn mir diese Nebenbemerkung erlaubt ist – in Corona-Zeiten offenbar diese grundlegende Bildung der Kinder leider nicht mehr für unverzichtbar hält. In der antiken Welt (und weit darüber hinaus) können jedenfalls die wenigsten Menschen lesen und schreiben. Es ist ein Privileg der Reichen. Doch in Israel pflegt man die Bildung des Volkes – zugegeben hauptsächlich für die männlichen Nachkommen, aber immerhin für diese. Grund dafür ist die Liebe zur Heiligen Schrift. Um mit dem Wort Gottes vertraut zu werden und zu bleiben, lernen viele das Lesen. Und Reih um liest jeder Mann im Synagogengottesdienst vor. Auch hier liegt eine wertvolle Botschaft für uns verborgen. Wir sind eingeladen, die Heilige Schrift zu schätzen, sie immer wieder zur Hand zu nehmen und darin zu lesen. Dazu ist der heutige, ökumenische Bibelsonntag, den auch der Papst als „Sonntag des Wortes Gottes“ unterstützt, eine besondere Einladung.

Wir sehen, wie viele wertvolle Informationen wir allein über den Menschen Jesus von Nazareth erfahren aus der Bibel. Das Neue Testament ist eine zuverlässige Quelle. Wir wissen über Jesus – auch historisch – mehr als über die meisten Menschen der Antike. Freilich erschöpft sich unser Blick damit nicht. Das Wunder, das Jesus in der Synagoge von Kafarnaum wirkt: die Befreiung eines Besessenen, die Heilung eines seelisch zutiefst bedrängten Menschen ist ein wichtiger Hinweis auf die tiefere Ebene. Jesus, ist der Sohn Gottes. In ihm ist Gott in die Welt gekommen. Er bringt uns in die heilende und befreiende Berührung mit der Welt Gottes.

Das Alte Testament kündigt Propheten an, denen Gott „seine Worte in den Mund legt“. Sie bringen Kunde von Gott, denn sie haben wie einst Mose die Stimme Gottes vernommen. So haben wir es in der Ersten Lesung gehört. Doch die Stimme Gottes, wer vermag sie zu vernehmen, „ohne zu sterben“? Wie es Mose sagt. Oder wer vermag sie recht zu deuten, treu auszulegen? Die Heilige Schrift ist nicht nur eine Summe von Worten. Die Fähigkeit zu Lesen ist wichtig, doch sie reicht nicht aus für das Verstehen. Darum schenkt Gott uns eine ganze Reihe von solchen Zeugen der Stimme Gottes: Propheten, die seine Botschaften auslegten. Vor allen aber ist Jesus der „treue Zeuge“, der uns ganz und gar, in Treue, unüberbietbar die Stimme Gottes ist – der uns den Willen des Vaters gebracht und ausgelegt hat. Auf ihn wollen wir hören. Seinem Beispiel wollen wir folgen. Amen.

30.01.2021, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler

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