Predigt von Pfarrer Daigeler zum 31. Sonntag im Jahreskreis C
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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, wir schreiben oft schnell Menschen ab. Wenn uns jemand enttäuscht oder verletzt hat, sagen wir schnell: „Der braucht mir nicht mehr zu kommen...“ Oder Menschen, die wir einer bestimmten Gruppe oder einer anderen Haltung oder Sichtweise zuordnen, die kommen in eine „Schublade“, und wir tun uns manchmal schwer im freundlichen Umgang mit ihnen.
Wunderbar ist da die Lesung, die wir aus dem Buch der Weisheit gehört haben. Sie spricht von Gottes unermesslicher Geduld. Er schenkt uns Menschen immer neu Zeit, dass wir zu ihm umkehren, dass wir uns neu zu ihm hinwenden. Gott ist ein „Freund des Lebens“, hieß es dort. Gott sei Dank im wahrsten Sinne des Wortes! Gott sei Dank, ist seine Geduld weit größer als die unsere.
Jesus ist sozusagen die Fleischgewordene Geduld Gottes. Der Sohn Gottes ist Mensch geworden, um uns die Botschaft von Gottes Erbarmen zu bringen. Er selbst ist der Weg, auf dem wir diese Barmherzigkeit finden. Darum geht er auf die Sünder und Heilungsbedürftigen zu. Denn Jesus weiß, dass gerade die Kranken des Arztes bedürfen.
Natürlich gehört zur richtigen Heilbehandlung auch die ehrliche Diagnose. Doch die geschieht nicht zuerst durch lange Vorträge. Der Patient muss selbst einsehen, dass er krank ist und vor allem dass er Hilfe bedarf. Ansonsten wird jede Therapie ins Leere laufen. Wie man zu dieser Einsicht findet, zeigt uns das Evangelium am Beispiel des Zachäus.
Zachäus ist in seiner Stadt Jericho ein Außenseiter. Er hat sich auf Kosten anderer rücksichtslos bereichert. Ein Wort Jesu lässt ihn erkennen, dass es so nicht weitergeht: „Heute will ich bei dir Gast sein.“ Das ist das große Geschenk Jesu an Zachäus. Dieses Geschenk verändert sein ganzes Leben. Er sieht seine Schuld ein und bittet um Vergebung. Und Jesus schenkt ihm Barmherzigkeit. Erst diese Erfahrung der Liebe Gottes lässt ihn wirklich verstehen, welche Lieblosigkeit und Rücksichtslosigkeit sein Leben bisher geprägt hat.
Doch übersehen wir nicht einen kleinen Schritt, der davor steht. Der Evangelist Lukas erzählt uns, dass Zächaus auf einen Baum stieg. Ihn treibt die Neugier. Er will diesen Jesus sehen. Etwas von ihm erfahren. Diesen ersten Schritt können wir keinem Menschen abnehmen, damit er wirklich zu Jesus und zu seiner Barmherzigkeit findet. Und doch stelle ich mir manchmal die Frage: Erhalten Menschen bei uns eine Antwort auf diese Frage, wer dieser Jesus ist, was Er sagt und wo er zu finden ist? Oder reden wir manchmal in der Kirche zu viel über uns und unsere Strukturprobleme…?
Wir haben das Geschenk, dass Jesus unser Gast ist. Er hat es uns anvertraut. Es ist sein Wort und seine Gegenwart in den Sakramenten. Wir dürfen die Freude teilen und ausstrahlen, dass er unser bleibender Gast ist und wir seine Gäste sein dürfen. „Reißt die Türen auf für Christus“, war das große Programm des heiligen Papstes Johannes Paul II. Reißen auch wir die Türen auf für Christus! Lassen wir ihn eintreten in alle Bereiche unseres Lebens. Und laden wir andere ein! Schreiben wir keinen ab. Weil wir fest vertrauen dürfen, dass Gott uns nie abschreibt, dass er stets mein Gast sein will. Amen.
30.10.2022, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler