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Predigt von Pfarrer Daigeler zum Fest Christi Himmelfahrt
Liebe Schwestern und Brüder im Herrn,
wer ist Jesus Christus? Um diese Frage dreht sich unser Glaube und ganz besonders das heutige Fest Christi Himmelfahrt. Dabei handelt es sich nicht um eine akademische Frage für Theologen und Geistliche. Es geht um eine wesentliche, ja unausweichliche Frage für jeden, der Christ sein möchte.
Das liegt eigentlich auf der Hand. Wenn ich jemandes Freund sein will, so möchte ich wissen, wer denn dieser Freund ist, wo er herkommt, was ihn bewegt, was ihn freut oder bedrückt, was ihn antreibt… Ein einfacher, doch zugleich gewichtiger Satz unseres Glaubensbekenntnisses lautet, dass Jesus wahrer Gott und wahrer Mensch ist. In diesen knappen Worten ist das Wesentliche, das wir von Jesus wissen, zusammengefasst. Er ist Mensch geworden, einer von uns, aus seiner Mutter Maria. Dabei hat er nichts von seinem Gottsein, von seiner Allmacht, Reinheit und Güte verloren.
Noch etwas zugespitzter formuliert: Das wichtigste an diesem Satz, damit er katholisch bleibt, ist das Wörtchen „und“. Um Jesus zu verstehen, um ein Freund Jesu zu sein, muss man beides kennen und erfassen: sein Menschsein und sein Gottsein. Als Menschen neigen wir manchmal zu Einseitigkeiten oder zur Eindimensionalität, dass wir eben meinen, das eine oder das andere besonders betonen zu müssen. So haben die einen Angst, dass die Göttlichkeit und Allmacht aus dem Blick gerate, wenn man zu sehr davon spreche, dass Jesus eben tatsächlich Mensch wie wir – in allem uns gleich außer der Sünde – war und ist. Andere sehen die Gefahr einer Verflüchtigung, wenn man Jesus nur als göttliches Wesen in himmlischen Sphären sieht und die Realität seiner Leiblichkeit, seines Menschseins übersieht, die doch immerhin die Voraussetzung seines Leidens und Sterbens war.
Wir sehen, wenn man nur eine Seite sieht, wird das Bild von Jesus schief. Darum mahnen die Engel nach der Himmelfahrt des Herrn die Jünger: Schaut nicht nach oben in den Himmel. Hier vor euch, vor euren Augen, vor euren Händen liegt die Aufgabe, die ihr in Jesu Namen anzugehen habt. Dennoch geht es nicht allein um menschliches Schaffen. Der heilige Paulus ruft uns in der Zweiten Lesung die Hoffnung, zu der wir durch Christus berufen sind, in Erinnerung. Alles, was wir beginnen und tun, darf von der Hoffnung und damit von gläubiger Gelassenheit getragen sein. Es liegt nicht allein an uns, an unserer Schaffenskraft, die ja immer begrenzt bleibt. Der Herr wird das Seine dazu geben, wenn wir das Unsere getan haben. Denn er ist, wie er versprochen hat, bei uns „alle Tage bis zum Ende der Welt“.
Vom heiligen Ignatius von Loyola stammt der Satz: „Bete, als hinge alles von dir ab, handle, als hinge alles von Gott ab.“ – „Bete, als hinge alles von dir ab“, das meint: Vergiss beim Gebet nie, dass du zuerst das Deine tun musst, das, was der Schöpfer an Talenten, Verstand und Fähigkeiten in dich und deine Mitmenschen gelegt hat. Doch weiter heißt es auch: „Und handle, als hinge alles von Gott ab“, das erinnert uns an die christliche Haltung der Gelassenheit, dass wir bei all unserem Schaffen auf den Beistand Gottes vertrauen dürfen und ihn erbitten sollen. Auch wenn wir an unsere Grenzen stoßen, Er will sie überschreiten. Dafür stehen die Auferstehung und die Himmelfahrt Christi.
Gerade in diesen verwirrenden Tagen der Krise ist diese christliche Haltung wichtig. Es gilt „das Unsere“ zu tun, das, was eben wir und unsere Mitmenschen wissen und können. Dafür sind die grundlegenden Regeln der Rücksichtnahme, des Abstands etc., die uns Mediziner und Politiker raten, sinnvoll und gut. Sie können nicht durch den Glauben ersetzt werden. Gleichzeitig reichen sie nicht aus. Es gibt keine Forschung und kein Mittel, die alle Probleme und Herausforderungen auflösen oder unsere Begrenztheit und Sterblichkeit wegnehmen könnten. Darum braucht es die christliche Hoffnung, die aus dem Gebet wächst, – die gläubige Gelassenheit, die uns sagt: Auch wenn du nicht alles im Griff hast, einer hält dich in seiner guten Hand. Der, der sagt: „Ich bin bei euch“, Jesus Christus. Amen.
21.05.2020, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler