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Predigt von Pfarrer Daigeler zum 29. Sonntag im Jahreskreis A

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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, ein allumfassender Anspruch der Religion auf sämtliche Lebensbereich scheint heute vermutlich vielen Menschen fremd. Darum würden wir manche Fragen gar nicht mehr stellen, wie wir sie im heutigen Evangelium hören. Was soll das Zahlen von Steuern mit meinem Glauben zu tun haben? Ist man als Gläubiger an staatliche Anordnungen gebunden? Kann man sich als Christ in jeder Art von Verein oder Gruppe engagieren. Ist es angemessen, diese oder jene Beschäftigung auszuüben? Wer würde so etwas noch fragen?

Zunächst einmal hören wir, dass Jesus die Frage durchaus ernst nimmt. Aber er unterscheidet. Er weist Bereiche aus, die dem menschlichen Wissen und seiner Verantwortung unterstellt sind, und Bereiche, die von göttlichen Geboten geregelt sind, über die nicht nach Gutdünken oder Mode entschieden werden.

Das ist wichtig. Es gibt nämlich auch die entgegengesetzte Versuchung, dass nämlich nicht die Allzuständigkeit der Religion beansprucht wird, sondern dass diese überhaupt nicht mehr für allgemeine Fragen als relevant gewertet wird. Religion dürfe man zwar haben, aber das habe man für sich privat zu pflegen. Für staatliche Entscheide, für gesellschaftliche Regeln, für öffentliches Leben sollen Glaube und Religion keinen Einfluss haben. So eine weit verbreitete Ansicht.

Man kann das an verschiedenen Fragen aufzeigen: Denken wir an die Frage des Lebensschutzes. Wer hier sagt, auch das ungeborene Kind hat ein Recht auf Leben, gilt als religiöser Fundamentalist. In kaum einer ethischen Diskussion wird das Argument überhaupt zugelassen, dieses oder jenes Handeln widerspreche den Geboten Gottes.

Was können wir also tun? Die katholische Morallehre verweist uns zunächst auf das, was man als Naturrecht bezeichnet. Was meint das? Naturrecht besagt, dass die Ordnung der Schöpfung für jeden Menschen erkennbar ist. Wir können, wenn wir unsere menschliche Natur achten, aus ihr vieles ablesen, wie das Leben gut wird. Dabei handelt es sich nicht um Spezialregeln, die nur Eingeweihten ersichtlich wären, auch nicht um Privatregeln, die nur für Gläubige gelten würden. Es ist tatsächlich ein Recht, das allen zugänglich ist. Unser Grundgesetz beginnt mit einem solchen Recht, der Menschenwürde, die jedem zukommt, ob arm, ob reich, ob gesund oder krank, ob geboren und ungeboren – einfach weil wir Menschen sind, weil es immer gut ist, Leben zu fördern, und weil es nie richtig ist, unschuldiges Leben zu vernichten…

Die alttestamentliche Lesung bringt hierfür ein geschichtliches Beispiel. Das Buch Jesaja erzählt vom Perserkönig Kyrus. Er ist kein Jude. Wir wissen nichts von seinem Glauben. Kyrus erobert Babylon zu einer Zeit, als die Israeliten dort in Gefangenschaft sind, und er lässt sie in ihre Heimat ziehen. Er handelt als Gottes Werkzeug, indem er erkennt: Es ist Recht, ein verschlepptes Volk in Freiheit zu setzen.

Der Herr sagt: „Gebt Gott, was Gottes ist, und dem Kaiser, was des Kaisers ist.“ Wir dürfen und sollen unseren Verstand einsetzen. Er ist uns vom Schöpfer gegeben, um die Welt zu ergründen, um seine Ordnung zu erkennen, um das Leben nach unseren Möglichkeiten zu verbessern. Gleichzeitig sind wir gerufen, einen Schritt darüber hinaus zu wagen: Die größte Freiheit findet der Mensch, wenn er nicht diesem oder jenem Trend folgt, wenn er nicht abhängig von Gewinn oder Mode ist, sondern wenn er Gottes Weisung folgt. Diese Wahrheit macht uns frei, sagt der Herr. Er weiß, was gut ist. Und er will, dass mit seiner Hilfe unser Leben gelingt. Amen.

22.10.2023, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler

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