logo pg liborius wagner Stadtlauringen

Predigt von Pfarrer Daigeler zum 3. Adventssonntag A

Download Audiodatei der Predigt

Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, wenn man lernt, einen Aufsatz zu schreiben – so man das heute noch tut, werden die Schüler darauf hingewiesen, nicht immer wieder zu schreiben: „und dann und dann und dann…“ Das Originelle an der Erzählung einer Geschichte liegt nicht immer in einem zeitlichen Nacheinander der dargestellten Ereignisse. Manchmal braucht es eine Zwischenhandlung oder einen Rückblick, um Zusammenhänge deutlicher zu machen oder um den Grund für Geschehenes klarer werden zu lassen.

So ist es auch im Evangelium. Die Worte, die wir heute über Johannes den Täufer hören, ereignen sich nicht am Beginn der Jesus-Geschichte, wie man das vielleicht im Advent, also im Hinzugehen auf das Geburtsfest Christi, erwarten würde. Johannes hat bereits einige Zeit öffentlich gewirkt, als ihn König Herodes verhaften lässt. Auch Jesus hat offenbar schon von sich Reden gemacht mit seinen Predigten und Wundern, sonst würde Johannes ja nicht aus dem Gefängnis seine Jünger zu Jesus schicken mit der Frage: „Bist du der, der kommen soll“?

Viele Menschen erwarten ein Nacheinander von Begründungen. Das erschwert oft ihren Zugang zum Glauben. Was meine ich damit? Viele erwarten, dass ihre Fragen alle nacheinander abgearbeitet und beantwortet werden. Dann, so meinen sie, würden sie am Ende überzeugt werden. Aber dieses „Und dann und dann…“ gibt es im wirklichen Leben nicht. Es gibt immer ein Vor und Zurück, es gibt Momente, in denen mir Gewissheit des Herzens geschenkt ist, und Momente, in denen ich angefochten bin. Es gibt Ereignisse, die mir, wenn ich sie durchlebe, schwer und sinnlos erscheinen, und die im Rückblick doch ihren Wert und ihre Weisung für mich hatten… Wichtig ist, dass wir nie bei der Verunsicherung stehen bleiben. Immer wieder dürfen wir wie Johannes fragen: Bist du der, der kommen soll? Oder anders formuliert: Wo bist du zu finden in diesen Ereignissen, Gott? Was willst du mir damit sagen?

Jesus gibt dem Johannes keine einfache Antwort, wie „Ja“ oder „Nein“. Er weist ihn hin auf heilsame Ereignisse, die geschehen sind. Und diese Antwort gilt auch uns. Wir brauchen keine „Weltformel“, die alle Fragen klärt. So etwas gibt es nicht. Wir brauchen immer wieder offene Augen und offene Herzen, dass wir die Spuren Gottes entdecken: Wo Blinde sehen, wo Menschen die Augen aufgehen; Taube hören und Lahme gehen können…

„Seht, euer Gott“, ruft der Prophet Jesaja den Traurigen und Verschleppten zu. „Seht, er ist da!“ Die adventlichen Tage laden uns ein, uns neu die Augen und Ohren öffnen zu lassen dafür, dass der Herr kommt, dass er da ist, dass er Trost und Freude bringt. Auch der Jakobusbrief erinnert an diesen Trost, der uns geschenkt wird, wenn wir Geduld haben. So wie die Saat, sagt er, lange für die Augen vorborgen ist, und dennoch beständig wächst. So ist es auch mit dem Wirken Gottes. Es ist oft den Augen verborgen, doch es bleibt nicht aus.

„Selig ist, wer an mir keinen Anstoß nimmt“, antwortet Jesus den Jünger des Johannes. Wir, Menschen, bleiben oft beim Vordergründigen stehen. „Wenn mir das nicht in der Weise bewiesen wird, wie ich es erwarte, glaube ich nicht.“ Doch Gott liebt das Unerwartete: Als Kind kommt der Unendliche in die Welt. Als sterblicher Mensch lebt der Ewige unter uns. Mit seinen Händen arbeitet und bedient der Ewige. Seine heilende Nähe erfahren als Erste die Kranken und die Sünder… Nichts, was man „erwarten“ kann. Und doch alles, was wir erhoffen dürfen! Amen.

11.12.2022, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler

­