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Predigt von Pfarrer Daigeler zu Weihnachten

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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, „das Wort ist Fleisch geworden“. So sprechen es Christen, wenn sie den „Engel des Herrn“ beten. So hören wir es am Weihnachtsfest im Evangelium, wo sich dieses Bekenntnis findet, nämlich im Prolog, also dem Vorwort, des Johannesevangeliums.

Die vier Evangelisten haben uns Zeugnis über Jesus hinterlassen, über seine Worte und Taten, über sein Leben, Sterben und Auferstehen. Während das knappe Markusevangelium gleich mit den öffentlichen Predigten des erwachsenen Jesus einsteigt, sprechen Lukas, der uns die für Weihnachten vertrautesten Worte überliefert hat, und Matthäus über die Kindheit Jesu: Über die Verkündigung an Maria, über das Ringen des Josef, wie er sich zu diesem Kind verhalten soll. Sie sprechen über seine Geburt Jesu im Stall von Betlehem und über die Menschen, die davon erfahren, die Hirten und die Weisen aus dem Orient. Sie gehen menschlich gut verständlich vor. Sie erklären Herkunft über Abstammung. Wer sind die Eltern, wer die Vorfahren…? Darum der Hinweis auf die Davidsstadt Betlehem, darum der Stammbaum Jesu, der bis hin zu Abraham, dem Vater der Glaubenden, weist. So wie es die Zweite Lesung des Festtages zusammenfasst: „Vielfältig und auf vielerlei Weise hat Gott einst zu den Vätern gesprochen durch die Propheten; am Ende der Tage hat er zu uns gesprochen durch den Sohn“.

Auch der Evangelist Johannes hat sich Gedanken gemacht, wie er uns die „Herkunft“ Christi erklären soll. Sein Prolog sprengt die Grenzen der gewohnten menschlichen Vorstellungen von Abstammung. Das Wort, das schon „im Anfang war“, wurde Fleisch. Die Ewigkeit und die Zeitlichkeit berühren sich in Jesus. Er ist Gott und Mensch zugleich. Geboren von einer Frau und zugleich „nicht geschaffen“, sondern „gezeugt“ vor aller Zeit, „eines Wesens mit dem Vater“, wie wir es im großen Credo bekennen.

Beim ersten Hören scheinen das Fragen zu sein, die wir gerne den Theologen überlassen. In ihren Ausformulierungen sind sie das auch. Doch der Kern betrifft die Mitte unseres Glaubens. Die Ewigkeit und die Zeitlichkeit berühren sich in Jesus. Das Wort ist Fleisch geworden. Was bedeutet das für uns?

Teilweise schmerzhaft führt uns die gegenwärtige Krise unsere Begrenztheit vor Augen. Wir klagen darüber. Manche wollen es nicht wahr haben. Sie wollen daran festhalten, dass wir alles lösen können, alles im Griff hätten… Doch das ist nicht wahr. Zum Menschsein gehört wesentlich das Begrenztsein. Unsere Lebensdauer ist begrenzt, unsere Kräfte und unser Verstehen und unser Fassungsvermögen, schlicht all unsere Möglichkeiten sind begrenzt. Das kann man leugnen oder verdrängen – unsere Zeit hat diese Leugnung der menschlichen Begrenztheit geradezu perfektioniert. Es ändert aber nichts an der Tatsache. Die Sprache des Glaubens drückt das so aus: Wir sind Geschöpfe.

Der christliche Glaube bietet uns keine Zauberformel an, die uns aus der Geschöpflichkeit entreißt. Im Gegenteil, der Evangelist Johannes weist uns die christliche Antwort. Und die heißt Umkehr, Umdenken, Wendung der Blickrichtung. Die neu Perspektive aus der Weihnachtsbotschaft lautet: Gott ist Mensch geworden. Der Schöpfer hat sich in unsere Geschöpflichkeit begeben – vom Geborenwerden bis hin zum Tod. Doch das ist nicht nur ein vergangenes Ereignis. Das Menschsein ist gewandelt, wo es von Jesus berührt wurde. Was angenommen wurde, wurde auch erlöst. Oder wie es Johannes sagt: „Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden“.

Wir müssen unsere Grenzen nicht leugnen, wir dürfen sie vom Heiland berühren lassen. Er kann die Ketten sprengen. Er hat das Tor in seine, unbegrenzte Welt für uns aufgetan. Er hat Himmel und Erde verbunden. Dazu hat das ewige Wort unser sterbliches Fleisch angenommen. Das zeigt uns den Weg. Wir dürfen unsere Grenzen, unser Geschöpfsein annehmen und ganz darauf vertrauen, dass es aufgehoben und geborgen ist, wo wir es IHM anvertrauen – ihm, dem Heiland, der geboren wurde von Maria, um Mensch unter uns Menschen zu sein, um uns den Weg zum Himmel zu weisen. Amen.

25.12.2020, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler

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