Predigt von Pfarrer Daigeler zum Dreifaltigkeitssonntag B
Download Audiodatei der Predigt
Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, wer die Möglichkeit hat, das Heilige Land zu besuchen, der kann auf engstem Raum verschiedene Religionen sehen. Ich erinnere mich an einen Aufenthalt in einem Pilgerhospiz in der Altstadt von Jerusalem. Am Haus vorbei eilten fromme Juden zum Gebet an der Klagemauer, von der Moschee nebenan tönte sehr laut der Ruf des Muezzins. Und dazwischen drin sah man christliche Pilger aus allen Teilen der Welt, die auf der Via dolorosa den Leidensweg Jesu betend nachgingen.
Bei vielen kommt dabei – ausgesprochen oder unausgesprochen – die Frage auf: Wer hat nun Recht? Wer kennt den richtigen Weg zu Gott oder gar den richtigen Gott? Unsere Zeit antwortet meist mit einem verbreiteten Relativismus und sagt: Jeder hat auf seine Weise Recht. Alle Wege sind gleich gut oder gleich gültig. Alle verehren wir doch denselben Gott… Die Verhaltensweisen in der Heiligen Stadt haben mir das nicht bestätigt. Hier ist eher zu spüren: Recht hat der Lauteste, derjenige, der am deutlichsten auftritt. Diese Haltung mag uns fremd erscheinen, doch zahlenmäßig wird sie weltweit mehr Anhänger finden als die relativistische Position, die sagt, alles sei gleich.
Mir scheint weder die eine noch die andere Haltung weiterzuführen. Vielmehr lädt uns der heutige Dreifaltigkeitssonntag dazu ein, über unser Gottesbild, über unser Verständnis von Gott nachzudenken. Als Christen können wir das freilich nie losgelöst tun von dem, was uns Jesus von Gott erzählt und gezeigt hat. Er, der am Herzen des Vaters ruht, „er hat Kunde gebracht“, wie es Johannes bezeugt.
Ohne den Anspruch auf Vollständigkeit möchte ich heute Aspekte aus den Schriftlesungen des Sonntags herausgreifen und mit Ihnen darüber nachdenken, was wir über Gott mit Gewissheit sagen dürfen.
Zuerst hörten wir eine Lesung aus dem Alten Testament, das wir ja mit den Juden gemeinsam haben. Das Buch Deuteronomium hält deutlich fest: Es gibt nur einen einzigen Gott! Am Volk Israel hat er durch machtvolle Wunder und Zeichen erwiesen, dass er der Herr ist – ja, dass es ihn gibt und dass er in dieser Welt wirken kann und will. Gott ist nicht abstrakter Gedanke, keine menschliche Erfindung. Er ist der Schöpfer von Himmel und Erde, das heißt, er ist größer als all unsere Vorstellungen. Und doch spricht er konkrete Menschen an. Er bindet sich an sein Volk Israel, damit durch dieses Beispiel alle Menschen ihn erkennen und anbeten.
Gestützt auf die Heilige Schrift sagt uns das Glaubensbekenntnis, dass Gott allmächtig ist. Damit stehen wir nicht allein unter den Religionen. An das Besondere erinnert uns der Apostel Paulus. In seinem Römerbrief bindet er Größe und Demut, Allmacht und Güte, Unfassbarkeit und Nähe zusammen. Er schreibt: Wir haben keinen „Geist der Knechtschaft“, sondern den „Geist der Kindschaft“ empfangen. Gott hat es nicht nötig seine Macht und Größe durch Gewalt und Unterdrückung zu zeigen. Er zeigt uns seine Macht in seiner väterlichen Güte, die uns zu seinen Kindern macht. Ja, gehen wir noch einen Schritt weiter: Gott zeigt seine Macht in der Hingabe seiner selbst. Im Sterben des Sohnes am Kreuz sehen wir erst in Wahrheit, wer und wie Gott ist. Am Kreuz sehen wir, was das heißt, wenn wir – manchmal vielleicht etwas leichtfertig – sagen: „Gott ist die Liebe.“
Das führt uns schließlich zum Evangelium. Es ist der Abschluss des Matthäusevangeliums. Hier hören wir aus dem Munde Jesu, dass Gott Gemeinschaft und Einheit zugleich ist, was wir gewöhnlich mit dem Begriff „Dreifaltigkeit“ oder „Dreieinigkeit“ umschreiben, also Gott Vater, Gott Sohn und Gott Heiliger Geist. Diese Erkenntnis ist uns aus dem Taufbefehl Jesu zugekommen. Und darin liegt eine wichtige Aussage. Es gibt nur einen Gott, der allmächtig ist und Wunder wirkt. Er will uns zu seinen Kindern machen, daran erinnerte uns die Zweite Lesung. Aber diesen Anteil am Leben Gottes zu erhalten ist nur in Gemeinschaft möglich. Deshalb fordert Jesus zur Taufe auf, die uns in seine Kirche eingliedert. Gott ist Gemeinschaft, darum ist er nur in Gemeinschaft zu finden. Nicht einer allein hat alle Erkenntnis über ihn, sondern die Glaubensgemeinschaft der Kirche bindet uns an ihn. In ihrer Mitte hat er uns seine Nähe versprochen: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind…“
Gerade dieser Zugang – nicht allein über meine persönliche Erfahrung oder nicht nur über meine subjektiven Vorlieben – soll uns vor Fanatismus und Einseitigkeit bewahren. Wir glauben mit der Kirche, mit den Aposteln, mit dem Volk Gottes. Und diese Weisheit einer Gemeinschaft, die weltweit denkt, die ein Gedächtnis über Jahrhunderte hat, die größere Weisheit schenkt uns die größere Gewissheit darüber wer Gott ist, der uns Vater ist, der unsere Bruder und Erlöser ist in Jesus Christus und der uns als Heiliger Geist zur Kirche zusammenführt, uns lehrt und Gutes tun lässt. Amen.
30.05.2021, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler