Predigt von Pfarrer Daigeler am Weihnachtstag
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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, viele Menschen begehen heute weltweit das Weihnachtsfest. Auf unterschiedliche Weise feiern sie es: Für die einen ist es Teil ihres Glaubens, dass sie die Geburt Christi feiern; für andere ist es eine Tradition, ein Brauch, dass die Familie zusammenkommt und man einander Zeit und Aufmerksamkeiten schenkt; wieder andere müssen auch heute arbeiten im Dienst für andere; und eine gar nicht so kleine Gruppe kann mit diesem Feiertag gar nichts anfangen.
Doch was macht es aus, das Weihnachtsfest? Was ist seine Bedeutung und sein Sinn? Die Zweite Lesung sagt: „Vielfältig und auf vielerlei Weise hat Gott einst zu den Vätern gesprochen…“ Natürlich meint der Verfasser des Hebräerbriefs hier zuerst das Alte Testament, die Propheten, die immer wieder für Gott die Stimme erhoben haben. Und doch dürfen wir auch an die vielfältigen Zeichen denken, die uns Menschen auf Gott verweisen: die Schönheit seiner Schöpfung, Ereignisse in meinem Leben… Offenkundig deuten Menschen diese Zeichen unterschiedlich. Die einen sehen darin Zufall, andere Evolution, was auch immer sie darunter verstehen. Nicht zwingend führt es die Menschen zum Glauben, wie wir es in unserem eigenen Umfeld beobachten können.
Nun geht der Hebräerbrief einen Schritt weiter: „Am Ende dieser Tage hat Gott zu uns gesprochen durch den Sohn“. Für den gläubigen Schreiber ist das das eindeutige Zeichen Gottes, dem er glaubt, dem alle Glauben schenken müssten. Gott hat sich gezeigt in einer Weise, wie wir es verstehen können, nämlich in menschlicher Gestalt. Er wurde geboren von einer Frau, er hat als Mensch gelebt, er hat unsere Sprache gesprochen, er hat mit seinen Händen gearbeitet, er hat unsere Leiden, ja sogar unser Sterben geteilt. Es gibt kein deutlicheres Zeichen Gottes als Jesus, sein menschgewordenes Wort.
Eine ähnliche Richtung können wir auch in den Anfangsworten des Johannesevangeliums entdecken, die wir stets am Ersten Weihnachtstag hören. Gottes Wort, alles, was Gott im Herzen hat, was er mitteilen will, ist Fleisch geworden, sichtbar und hörbar, damit wir zum Glauben kommen und durch den Glauben das Leben haben. Oder, wie es der heilige Johannes ausdrückt, „damit wir Kinder Gottes werden“.
Jesus ist in die Welt gekommen, damit wir von ihm das rechte Menschsein lernen. Und Menschsein ist eben mehr als Atmen und Essen, als von Tag zu Tag zu überleben. Der Mensch wird zum Menschen, wenn er gewahr wird, dass er geliebt und angenommen ist, dass er von Gott gewollt, ja sein Ebenbild ist. Das verleiht jedem Menschen unverlierbare Würde, ob arm ob reich, ob gesund oder krank… Darum gehört der Glaube an Gott zum gelingenden Menschsein.
Freilich teilen nicht alle Menschen diesen Glauben. Unsere Berufung als Christen ist es, diesen Glauben wach zu halten, immer wieder die Enge unserer selbstgebauten Weltbilder aufzubrechen, den Himmel aufzureißen, wie wir es im Advent in Liedern erbetet haben. Wir sind berufen, Zeugen der Hoffnung zu sein, wie es einst Jesaja war, von dem die Erste Lesung sprach. Wir dürfen „Freudenboten“ sein, den „Frieden ankündigen“. Jesaja kündigt diese Gute Nachricht nicht Satten und Wohlhabenden an, zu einem versprengten Volk, zu den „Trümmern Jerusalems“, spricht er. Und auch wir dürfen in jeder Situation, in der heute Menschen Weihnachten feiern, sprechen: HEUTE ist euch der Retter geboren. Gott ist uns nahe. Er hat uns Jesus geschenkt, damit wir von ihm das Menschsein lernen, damit wir auf seinem Weg gehen und so unser Leben gelingt. Mit Gläubigen und Ungläubigen, mit Frohen und Traurigen, mit allen dürfen wir die Weihnachtsbotschaft teilen: „Ein Kind ist uns geboren“ – er ist der Messias, der Retter. Amen.
25.12.2021, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler