Predigt von Pfarrer Daigeler zum 23. Sonntag im Jahreskreis C
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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, vom heiligen Albert dem Großen (1200-1280), einem gelehrten Dominikaner des 13. Jahrhunderts, wird gesagt, dass er das ganze philosophische und naturwissenschaftliche Wissen seiner Zeit beherrschte. Eine solche Aussage würden wir heute auch über sehr gebildete Menschen nicht mehr treffen, viel zu umfänglich war der Ertrag der Forschung in den letzten Jahrhunderten. Es gab Epochen – im 19. Jahrhundert, da waren einige der Meinung, wenn wir so intensiv weiterforschen, dann werden uns schließlich alle Geheimnisse der Natur und des Menschen aufgehen.
Wir wissen inzwischen, dass dem nicht so war. Freilich ist es großartig, was uns menschliches Forschen alles eröffnet und möglich gemacht hat. Gleichzeitig ergeben sich mit jeder neuen Erkenntnis auch neue Fragen, die in die Tiefe führen. Und das Ganze zu überblicken, ist für keinen einzelnen Menschen möglich.
Manche behaupten, diese Komplexität befördere „vereinfachende“ Weltsichten oder gar „Verschwörungstheorien“. So nach dem Motto: „Hinter all dem Unüberschaubaren muss doch eine Strategie stecken und vielleicht bin ich derjenige, der dahinter schaut, der die Sache durchschaut…“ Da ist sicher etwas dran, dennoch bin ich sehr vorsichtig mit solchen Erklärungen. Ich würde zunächst einmal zur Demut raten, die uns sagt: Der Mensch und sein Verstand ist zu Großem fähig. Aber er ist nicht in dieser oder jener Zeit klüger oder dümmer. Der Mensch bleibt auch immer täuschbar und verführbar… „Unsicher sind die Überlegungen der Sterblichen und einfältig unsere Gedanken“, rief uns das Weisheitsbuch in der Ersten Lesung zu. Nein, auch wenn wir es meinen, keiner weiß alles, keiner durchschaut und begreift alles. „Wir erraten kaum, was auf der Erde vorgeht und finden nur mit Mühe, was auf der Hand liegt“, hieß es dort. „Wer ergründet, was im Himmel ist?“
Glauben und Wissen sind keine Gegensätze. Ich finde es spannend und hilfreich, was die Wissenschaften ergründen und beleuchten. Es wäre töricht und sicher nicht im Willen des Schöpfers, wenn wir diese Verstandesgaben ungenutzt lassen würden. Gleichzeitig erinnert uns der Glaube daran, dass das Ganze noch weit größer ist, als das, was wir sehen und messen können. Viele Zusammenhänge und Wechselwirkungen bedenken wir gar nicht bei unseren Plänen. Diese Demut fehlt mir oft bei den „Aktivisten“ unserer Tage.
Das Weisheitsbuch beschenkt uns aber auch mit einer Gewissheit, die Juden und Christen ausmacht. Selbst wenn wir nicht alles verstehen, wir tappen dennoch nicht im Dunkeln und sind keinem blinden „Schicksal“ unterworfen. Gott selbst hat sich offenbart. Er hat sich mitgeteilt. Er hat sein Wort zu uns Menschen gesprochen. Ja, dieses Wort ist in Jesus Christus Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, damit wir es kennen lernen und begreifen. Darum fasst Jesus seinen Auftrag an die Jünger zusammen: „Folge mir nach!“ „Wer nicht sein Kreuz trägt und hinter mir hergeht, der kann nicht mein Jünger sein“, haben wir gerade eben im Evangelium gehört.
Der Glaube tritt nicht an die Stelle unserer Vernunft. Er schenkt ihr Orientierung, denn Gott selbst hat uns in seinem Sohn den Weg gezeigt. Und um diesen Weg zu gehen, brauchen wir alle Begabungen unseres Geistes und Leibes. Es ist nicht nur ein frommer Gedanke, es braucht auch die Klugheit, die uns in den Gleichnissen vom Turmbau und vom Königsheer begegnen. Wir sind nicht weltfremd und sollen es auch nicht sein.
Die Kirche betet bei der Verehrung des heiligen Albert, dass Gott ihm die Gabe geschenkt habe, „das Wissen seiner Zeit und den Glauben in Einklang zu bringen“. Diese Weite des Geistes brauchen auch wir, dann wird uns der Fortschritt der Wissenschaft nicht nur für dieses Leben helfen, sondern auch den Schöpfer tiefer erkennen lassen. Das ermutigt uns, den Spuren zu folgen, die uns sein Sohn gelegt hat, um ihm nahe zu sein. Amen.
07.09.2025, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler