Predigt von Pfarrer Daigeler zum 3. Fastensonntag A
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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, auf den ersten Blick ist es eine alltägliche Begebenheit, von der uns der Evangelist Johannes erzählt: Eine Begegnung am Brunnen zwischen einer Frau, die Wasser schöpfen will, und Jesus, der offenbar durstig ist. Würde er sonst sagen: „Gib mir zu trinken“?
Freilich zeigt die irritierte Reaktion der Samariterin und das anschließende Gespräch zwischen Jesus und ihr, dass es um Grundlegenderes geht. Es geht ja um eine Neuausrichtung, einen Neuanfang im Leben dieser Frau; es geht um den Glauben an Jesus als den Erlöser und Heiland. Aber denken wir noch ein wenig über die Bitte Jesu nach: Gib mir zu trinken.
Es liegt auf der Hand, wie unverzichtbar das Trinken für das Überleben aller Lebewesen ist. Ohne zu trinken, verdursten wir. Umso deutlicher die Situation in einem heißen Land wie Palästina. Jesus ist müde von der Reise. Und es war um die „sechste Stunde“, also um die Mittagszeit, wie es der Evangelist ausdrücklich erwähnt. Jeder kann sich wohl leibhaft die Sehnsucht vorstellen, die in diesem Empfinden und in dieser Bitte liegen. Und die Erste Lesung von den Israeliten in der Wüste zeigt mitten aus dem Leben, wie schnell die Stimmung kippen kann, wenn die Grundbedürfnisse nicht gestillt werden, da sind die guten Vorsätze und die zuvor erhaltenen guten Gaben schnell vergessen…
Aber was würden wir diesem Jesus anbieten, wenn er uns fragen würde: Gib mir zu trinken? Beliebt sind heute vielfach süße Getränke, „soft drinks“, wie sie die Amerikaner nennen. Sie schmeicheln durch die hinzugefügte Süße unserem Geschmack. Und auch in unserer Kirche gibt es nicht wenige Stimmen, die sagen: Wir müssen die Botschaft des Glaubens gleichsam mit Zucker oder Süßstoff anreichern, dann würde sie auf größere Zustimmung stoßen. Alles, was herausfordernd an der Botschaft Jesu ist, wo von Verzicht oder Selbstbeherrschung die Rede ist, von Sünde oder Umkehr, vom Gericht und von der realen Gefahr, das ewige Heil möglicherweise zu verlieren… All das sollte man doch besser beiseite lassen, es sei zu bitter heißt es. Niemand wird doch ernst mit einem solchen angebotenen Getränk seinen Durst löschen wollen. Doch zu viel Zucker ist nicht gesund und macht schnell neuen Durst.
Andere schlagen vielleicht „harte Getränke“ vor. Nur ein kräftiges Getränk, nur die mit aller Deutlichkeit und Vehemenz vertretene Botschaft wird die nötige Stärkung bringen, alles andere scheint diesen Anbietern zu wenig. Und das gibt es auch in unserer Kirche: Die Meinung, wenn wir noch deutlicher richtig und falsch benennen würden, die Sünde verurteilen würden, dann würde die Klärung eintreten und sich die Frommen von den Lauen trennen. Aber genauso wenig wie ein „hartes Getränk“ bei großer Hitze gut vertragen wird, können die meisten Menschen diese Sprache überhaupt erst einmal verstehen. Ich will nicht behaupten, dass sie falsch wären, aber ich weiß, dass sie den meisten Menschen unverständlich bleiben. Und damit dürfen wir uns auch nicht zufrieden geben.
Schauen wir also noch einmal in das Evangelium. Jesus möchte kein Modegetränk, er verlangt schlicht nach reinem Wasser. Und mehr noch, er bietet der Frau „lebendiges Wasser“ an. Das Beste für den Durst ist klares Wasser. Es ist nicht unsere Aufgabe das Evangelium zu versüßen oder zu verschärfen. Wir müssen nichts hinzufügen, keine noch so gut gemeinten Privatoffenbarungen oder Sonderbotschaften. Und wir dürfen nichts weglassen, auch nicht aus gut gemeinter Rücksicht. Das Evangelium ist das lebendige Wasser, das unseren Durst löscht. Und mein Glaube daran, mein Glaube an Jesus Christus, den Erlöser, ist der Trank, nach dem sich Jesus von mir sehnt. Nicht mehr und nicht weniger.
Wer ihm glaubt, wer mit ihm geht, wer sich ganz auf Jesus einlässt, der wird erkennen, was gut und was falsch ist, was weiterführt und was zwar verlockend, aber letztlich eine Sackgasse ist.
Am Ende der Fastenzeit werden wir am Karfreitag noch einmal ein ähnliches Wort Jesu hören. Am Kreuz ruft er aus: „Mich dürstet“. Jesus dürstet nach meinem Glauben, nach meiner Liebe. Geben wir ihm nicht weniger. Und geben wir uns nicht mit weniger zufrieden als mit dem wahren Evangelium. Amen.
12.03.2023, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler