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Predigt von Pfarrer Daigeler zum 7. Sonntag im Jahreskreis C

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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, „zuerst kommt das Irdische, dann das Überirdische“, schreibt der heilige Paulus. Wir haben es in der Zweiten Lesung gehört. Natürlich kann man erklären, dass der Apostel hier gegen eine Vergeistigung des Glaubens, gegen spirituelle Übertreibungen predigt und den Glauben der Korinther gleichsam „erden“ will. Aber die Heilige Schrift ist ja nicht bloß ein historisches Dokument, das Geschichten von früher erzählt. Sie richtet sich ebenso an uns. Heute will uns Gottes Wort ansprechen.

Was kann also dieser Satz für uns heute bedeuten? Ich meine, wir können darin viel über das Wesen des christlichen Glaubens erkennen. Denn es geht um eine logische Reihenfolge: Den Glauben haben nicht wir oder andere Menschen sich ausgedacht, sondern konkrete Erfahrungen in ihrem Leben haben sie zu Gott geführt. Darum wird der Glaube auch nicht durch noch so viele, gute Worte erzeugt, sondern es geht nur durch das eigene Erleben: Ich muss erleben, dass ich von Gott getragen bin, dass ich durch den Glauben aufgerichtet und gestärkt werde.

Und eben darum fällt vielen Menschen das Glauben heute schwerer als früheren Generationen. Denn unsere Welt-Erfahrung oder Welt-Wahrnehmung hat sich grundlegend verändert.

Ich lerne stets etwas von den Kindern im Religionsunterricht. Wir sprechen gerade über die Mose-Erzählung, über die Befreiung der Israeliten aus Ägypten. Offener als Erwachsene benennen Kinder ihre Fragen. „Ist Gott nicht böse, wenn er die Kinder der Ägypter tötet?“, fragen sie. Natürlich darf man solche Fragen stellen. Sie zeigen aber auch, wie schwer uns die Vorstellung fällt, dass Gott eben Gott ist: größer als alles, unbegreiflich, einziger Herr über Leben und Tod… Und ein Schüler fragte dann weiter: „Wir sind doch alle wichtig. Wie kann dann Gott wichtiger sein als jeder einzelne von uns?“

Ich habe darüber nachgedacht. Natürlich kann man schnell antworten: Gott ist doch kein Mensch, er ist Gott, darum steht er über uns. Das ist richtig, aber was bedeutet das konkret?

Unsere Zeit lehrt uns: Wenn du dich nur genug anstrengst, kannst du alles schaffen. Wenn du so oder anders sein willst, kannst du dich neu oder selbst definieren. Wenn wir nur genug forschen, dann gibt es eine Medizin gegen alle Krankheiten, ja vielleicht sogar gegen das Sterben überhaupt… Natürlich stimmt das alles nicht. Und der daraus resultierende Druck macht nicht wenige Menschen krank, führt zu Depressionen oder Burnout. Und doch wird es überall gepredigt. Und wir alle sind Kinder unserer Zeit, darum trifft und beeinflusst es eben auch uns.

Was könnte ein Weg sein? Ich habe keine einfache Antwort. Doch die ganze Bibel ist ein Zeugnis von Glaubenserfahrungen. Und die bestehen – etwas vereinfacht – aus zwei Bestandteilen: Zum einen ist es die Erfahrung, dass ich an eine Grenze stoße. Ich kann etwas nicht, ich bin auch schwach, ich falle in Fehler oder Sünden, ich bin endlich… Und ich erkenne das und kann es anerkennen. Das ist das „Irdische“, von dem Paulus spricht. Und dann kann ich als Vertrauernder die Erfahrung machen, dass ich über diese Begrenztheit „getragen“ werde, dass ich Zuversicht gewinne in einer ausweglosen Situation, dass ich Vergebung erfahre in Schuld, dass ich Leben finde im Tod… Hier berührt uns das „Überirdische“, Gott.

David, von dem die Erste Lesung sprach, erkennt seine Grenzen an: Er tötet nicht mit eigener Hand den König Saul, seinen Widersacher. Und eben darum wird David später zu einem größeren König als Saul. Jesus fordert im Evangelium Ähnliches: Liebe schenken, wo wir nicht mit einem Gegengeschenk rechnen können. Segnen, wo wir beschimpft werden. „Gebt, dann wird auch euch gegeben werden“… Dieser Weg ist eine Herausforderung, ein Wagnis. Doch das ist eben der Glaube, wenn er tragen soll. Und „der HERR wird jedem … seine Treue vergelten“. Amen.

20.02.2022, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler

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