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Predigt von Pfarrer Daigeler zum Vierten Adventssonntag C

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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, „alles wirkliche Leben ist Begegnung. Wenn wir aufhören, uns zu begegnen, ist es, als hörten wir auf zu atmen.“ Diese Sätze stammen von dem jüdischen Philosophen Martin Buber (1878-1965). Leben, mein Leben, unser Leben bekommt für Buber erst Qualität durch die Begegnung mit anderen Menschen und mit Gott. Diese Begegnungen sind durch nichts zu ersetzen.

Das Evangelium des heutigen Vierten Advents erzählt uns von einer Begegnung zweier Frauen: Maria und Elisabeth. Ein eigenes Fest im kirchlichen Kalender am 2. Juli ist dieser Begegnung gewidmet. Wir nennen es „Maria Heimsuchung“, was – auch wenn das alte Wort heute eine veränderte Bedeutung hat – einfach meint, dass Maria ihre Verwandte in ihrem Heim, ihrem Haus besucht.

Freilich könnten wir einwenden: Wie hätte es Maria auch anders machen sollen. Es gab weder Telefon noch Messengerdienste, es gab nur den realen Besuch und das Gespräch. Ist das gemeint mit dem Wort von Martin Buber, dass wir weniger auf virtuelle Nachrichten und mehr auf leibhafte Begegnungen setzen sollen? Zumindest sind sie nicht ersetzbar. Das merken wir in Zeiten von Kontaktbeschränkungen umso mehr.

Die Zweite Lesung, die wir aus dem Hebräerbrief hörten, gibt der Leiblichkeit sogar eine heilsgeschichtliche Bedeutung. Jesus hat einen Leib angenommen wie wir Menschen, so hat er gelitten, hat unser Leben und sogar Sterben geteilt. Er hat nicht nur über Gehorsam gesprochen, er hat seinen Leib am Kreuz für uns hingegeben, hieß es dort. In dieser greifbaren Realität bekommt das ein anderes Gewicht als bloße Worte. Der Leib ist das stärkste und deutlichste Symbol für mich selbst. Wir sagen „Körpersprache“ und meinen damit etwas von dieser Wirklichkeit. Wir teilen uns anderen mit durch Gestik und Mimik, durch Berührung. Sehen, Hören, Begreifen – all das sind leibliche Vorgänge. Darum hat der Leib Würde – selbst in der Krankheit, ja selbst im Tod verdient der Leib Achtung.

Neben diesem Aspekt der Leiblichkeit und damit Erfahrbarkeit von Begegnung merken wir aber ebenso etwas Grundsätzlicheres: Es braucht Begegnung, weil wir Erfahrungen erst im Teilen, im Mitteilen wirklich verstehen. Wenn ich jemandem etwas erkläre, wird es mir selbst klarer. So muss Maria die Worte des Engels Gabriel, die sie in Nazareth hörte, die unerwartete Mutterschaft, die ihr geschenkt wurde, die Freude, aber auch die Sorgen über das Kind, das sie unter ihrem Herzen trägt, mit jemandem teilen. In ihrer Verwandten Elisabeth findet Maria Verständnis. Denn auch sie ist Mutter geworden – unerwartet, mit Gottes Hilfe.

Die beiden Frauen teilen ihre Freude und ihre Zuversicht. Darin sind sie uns Vorbild. Die Freude wächst nur im Teilen, der Glaube wächst nur im Teilen. Darum brauchen wir die Begegnung mit Gott und mit den anderen im Gottesdienst und darüber hinaus. Glauben gelingt nicht individualistisch, denn er ist Begegnung – Begegnung mit einem lebendigen Du, mit dem menschgewordenen Gott und zwingend auch mit anderen Mitglaubenden.

Ohne diese Begegnung, „wäre es als hörten wir auf zu atmen“, dann geht uns die Luft aus. Darum ist Gott auf uns zugegangen, wie wir es in diesen adventlichen Tagen bedenken. Er ist in unser Leben gekommen, wie es nun einmal ist – in keine Phantasie- oder Wunschwelt ist er gekommen, sondern in unsere kleine Welt: Betlehem-Efrata, „klein unten den Sippen Judas“, hieß es in der Ersten Lesung. Was für eine Frohe Botschaft: Gott will mir begegnen – leibhaft und wahrhaft. Machen wir uns wie Maria auf den Weg zu ihm, teilen wir seine Freude miteinander und mit anderen. Amen.

19.12.21, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler

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