Predigt von Pfarrer Daigeler zum 33. Sonntag im Jahreskreis A
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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, die Zeit vor dem Ersten Advent wird auch als Ende des Kirchenjahres bezeichnet. Die biblischen Lesungen dieser Tage sind geprägt von der Erwartung der Wiederkunft des Herrn. In den ersten Generationen der Christenheit, als die mündliche Überlieferung der Worte Jesu verschriftlicht wurde, war diese Erwartung sehr lebendig. Das letzte Buch das Neuen Testaments endet mit dem sehnsuchtsvollen Ruf: „Komm, Herr Jesus, komme bald“.
Das Gebet spricht die Bitte aus, dass das, was mit den Worten und Taten Jesu begonnen hat, nun eine die ganze Welt prägende Wirklichkeit werden solle. Somit ist für die ersten Christen der Gedanken an das Gericht, an das Endgericht, ein durchaus tröstlicher Gedanke. Nicht mehr die Mächtigen dieser Welt, welche die junge Christenheit bedrängten, nicht mehr allein die Starken, Reichen oder Lauten sollten das Sagen haben, sondern der Herr – mit seiner Gerechtigkeit, mit seinem Erbarmen, mit seinem Frieden.
In diesem Sinnen hat die frühe Christenheit auch die Gleichnisse Jesu gehört, wie das eben gehörte Evangelium. Der Gottessohn ist für sie dieser „Mann, der auf Reisen ging“, der nur für eine kurze Zeit fortging, der aber wiederkommen wird und diejenigen sieht und belohnt, die ihm die Treue gehalten haben.
Das ist eine mögliche Herangehensweise an das Gleichnis Jesu. Man kann es auch aus einer anderen Perspektive lesen: mit dem Blick auf die Diener. Über sie sagt ja das Gleichnis, dass jeder Talente erhält. Zwar in unterschiedlicher Zahl und Gestalt, aber keiner ist ohne Talent. Jedem Menschen hat der Herrgott Talente und Fähigkeiten gegeben. Jeder ist wichtig. Jeder kann etwas einbringen, damit das Gute mächtig wird in der Welt, damit weitergebaut wird am Reich Christi. Umso trauriger ist es, wenn einer sich verschließt, seine Talente vergräbt. Wie könnte unsere Welt aussehen, wenn alle ihre Talente im Sinne des Herrn, im Sinne Jesu einsetzen würden?
Wann der Herr kommt und Rechenschaft von uns verlangt, weiß kein Mensch. Hier ist die Mahnung des heiligen Paulus deutlich, dass wir als „Kinder des Lichtes“ leben sollen, damit uns der Tag, an dem der Herr kommt, „nicht wie ein Dieb überrascht“. Jetzt ist die Stunde, nicht morgen oder übermorgen… Hier und jetzt dürfen und sollen wir unsere Talente einbringen, damit das Gottes Reich unter uns und durch uns sichtbar wird. Ganz wie wir es im Tagesgebet dieses Sonntags erbeten haben, dass wir „frei werden“, indem wir uns dem Willen des Herrn unterwerfen, und dass wir die „vollkommene Freude finden“, indem wir in seinem Dienst treu bleiben. Amen.
15.11.2020, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler
