Predigt von Pfarrer Daigeler zum Ostermontag
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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, die eben gehörte Emmauserzählung ist in gewisser Weise mein „Lieblingsevangelium“. Den Jüngern gelingt es in der Gefangenheit ihrer Vorstellungen und Erwartungen zunächst nicht, den Herrn zu erkennen. Gott muss doch so sein, wie ich es erwarte; er muss das tun, was ich wünsche, sonst gibt es ihn nicht, sonst ist er für mich gestorben…
In diesem Evangelium klingt eine wichtige Frage an, die mir die eigentliche Frage unserer Zeit zu sein scheint, die mir die eigentliche Ursache der spürbaren Kirchen- und Glaubenskrise unserer Tage zu sein scheint. Einige kennen sie vielleicht sogar selbst in sich. In jedem Fall kennen wir Menschen, die uns ausgesprochen oder unausgesprochen so fragen: Wie kann ich Gott erkennen?
In der Beschäftigung der Kirche dieser Tage mit Fragen, für die wir gar keine eigene Kompetenz haben, droht diese eigentliche Frage unterzugehen. Wir diskutieren über Strukturen, über Ämter und Formen, aber wir bleiben der Welt oft die Antwort schuldig auf diese eigentliche Frage: Wie kann ich Gott erkennen?
Vielleicht – auch das müssen wir als Möglichkeit ehrlich eingestehen – weil wir selbst die Antwort nicht kennen oder weil wir zumindest unsicher geworden sind, ob die gewohnten Antworten noch tragen. Ob die Antworten, die wir noch von unseren Eltern oder Großeltern im Ohr haben, noch der Rede wert sind. Ob man so noch sprechen kann… Und auf welche Reaktion wir damit stoßen könnten…
Ich meine das keineswegs vorwurfsvoll. Im Gegenteil, ich sehe hier eine echte Not. Und diese Not stellt eine existenzielle Frage für die Kirche dar. Denn was soll unser Tun und Beten und überhaupt alles, was wir in der Kirche tun, wenn es Gott nicht gäbe. Wir wären „ärmer dran als alle anderen“, sagt Paulus. Es wäre nutzlos, eine Täuschung…
Für mich tröstlich, dass uns das Evangelium nichts verbirgt von den Fragen der Jünger. Auch sie kennen das Abmühen im Boot gegen Wind und Wellen; und der Herr scheint zu schlafen, er scheint ihre Hilferufe nicht zu hören. Und doch ist er da – mit im Boot, mitten in den Wogen unseres Lebens. Der Herr ist mit auf dem Weg, selbst wenn wir uns in Traurigkeit oder Hoffnungslosigkeit verkriechen. Und er hat eine wunderbare Geduld. Er geht mit. Er hörte die Fragen der Jünger und er weist sie hin auf all das, was sie vielleicht schon hundertmal gehört und doch nicht verstanden haben.
Christsein ist keine schnelle Antwort. Sie bliebe an der Oberfläche und würde letztlich den Prüfungen des Lebens nicht Stand halten. Christsein ist ein Weg – ein Weg, den wir zu gehen haben und auf dem wir im Gespräch mit dem Herrn bleiben müssen, um seine Botschaft tiefer zu verstehen. Das Wachsen des Glaubens gibt es nur im Gehen dieses Wegs, nicht vorab als „fertiges Paket“. Für keinen Menschen gibt es im Voraus alles Wissen und Verstehen, wir könnten es auch gar nicht tragen. Erst im Vertrauen des Gehens wächst unser Sehen und Verstehen, wenn wir uns vom Herrn begleiten und führen lassen.
Und schließlich sagt uns das Evangelium, dass es ganz andere Gewissheiten gibt, als die Sichtbarkeit für unsere Augen. Im gebrochenen Brot erkennen die Jünger den Herrn selbst. Sie erfahren im Sakrament die Wirklichkeit seiner Zusage, dass er lebt, leben wird und immer bei ihnen sein wird. Diese Zusage gilt auch uns, seinen Freunden. In der Fastenzeit durfte ich an Exerzitien in Ars teilnehmen. Mir blieb ein Wort des heiligen Johannes Maria Vianney, des Pfarrers von Ars, im Gedächtnis, das er oft sprach: „Er ist da!“ Das sagte er in seinem tiefen Gottvertrauen mit Blick auf den Tabernakel. Ja, der Herr ist da! Diese österliche Gewissheit wünsche ich Ihnen – für ihren Weg mit ihm und ganz besonders beim „Brechen des Brotes“ in der heiligen Eucharistie. Amen.
10.04.2023, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler