Predigt von Pfarrer Daigeler zum 3. Sonntag im Jahreskreis C
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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, ein wichtiger Bestandteil des Neuen Testaments sind die Briefe des heiligen Paulus. Als Missionar war er unterwegs im damaligen Römischen Reich, besonders in Kleinasien (also in der heutigen Türkei) und in Griechenland. An verschiedenen Orten gründete der Apostel christliche Gemeinden, an anderen stärkte er die Menschen, die bereits von Jesus gehört hatten, im Glauben. Dabei weist Paulus auf die Herzmitte des Glaubens hin: Jesus ist für unsere Sünden gestorben und er ist auferstanden.
Diese unerhört neue Botschaft brachte und bringt Menschen in Bewegung. Angefangen von der Synagoge in Nazaret, wo Jesus aufgewachsen ist und wo er die „gute Nachricht“ ankündigt“: Die Befreiung der Gefangenen, die Vergebung der Sünden, Licht im Dunkel des Todes „und ein Gnadenjahr des Herrn“. Paulus hat diese Predigten Jesu nicht mit eigenen Ohren gehört. Das hat er mit uns gemeinsam. Doch er ist zum Glauben an den Auferstandenen gekommen. Gewiss, seine Bekehrung ist für ihn ein überwältigendes Ereignis. Er findet kaum Worte dafür. Und doch ist ebenso wichtig, dass Paulus nach seiner ersten Begegnung mit Christus das Gespräch mit den Jüngern Jesu sucht. Im Gespräch mit ihnen, durch ihr Zeugnis begreift und ergreift Paulus erst den Glauben. Er lässt sich taufen; er lässt sich aufnehmen, wie er sagt, in den „Leib Christi“.
Diese Erfahrung, dass der Glaube an Jesus und die Gemeinschaft mit seinen Jüngern zusammengehören, prägt das ganze Wirken des Paulus. Der Brief an die Gemeinde in Korinth, den wir in Ausschnitten an diesen Sonntagen lesen, ist darum ein eindringlicher Aufruf zur Einheit und zur Eintracht.
Paulus hat diese Christengemeinde gegründet, darum liegt sie ihm sehr am Herzen. Auf seinem weiteren Weg hört er von Streit in Korinth, von Spaltung und von Parteiungen. Darauf reagiert er mit seinem Brief. Worum geht es in dem Streit? Offensichtlich spielen bei den Korinthern Geistesgaben, also Charismen, eine gewichtige Rolle. Dass jemand von Gottes Geist erfüllt ist, muss man nach ihrer Meinung sehen an besonderen Begabungen: Dass zum Beispiel jemand „Zungenrede“ beherrscht oder die Gabe hat, Kranke zu heilen…
Nun entgegnet Paulus mit einem Gleichnis. Er schreibt von einem Leib und seinen Gliedern. Diese Glieder sind unterschiedlich: Auge, Ohr, Hand oder Fuß… Doch diese Glieder sind aufeinander angewiesen. Das Auge braucht den Fuß, um voranzukommen. Und der Fuß braucht das Auge, um nicht die in die Irre zu gehen.
Das Bild ist sprechend und verständlich. Wir alle sind unterschiedlich, jeder hat andere Talente und Begabungen, Stärken und Schwächen. Doch wir brauchen einander. Nur im Miteinander gelingt Gemeinde, gelingt die Nachfolge Jesu. Keiner ist wichtiger als der andere: Nicht der, der auf der Kanzel steht, nicht der, der die Kirche reinigt. Nicht die, die tief und häufig beten kann, und nicht die, deren Glaube von Zweifel oder Geschäftigkeit bedrängt ist…
Man braucht wohl keine besondere Studie, um zu sehen, dass es Spaltung und Parteiungen gibt in unserer Kirche und in unserer Gesellschaft. Die Woche vor dem 25. Januar ist die Gebetsoktav für die Einheit der Christen. Das ist kein Nebenthema. Jesus selbst sagt, dass die Welt glaubt, wenn die Jünger „eins sind“. Es lohnt sich, den Ersten Korintherbrief zu lesen und zu bedenken. „Ein Leib“ sollen wir sein. Ohne diese Einheit sind wir nicht voneinander sondern auch von Christus getrennt.
Bitten wir um die Demut, die es für diesen Weg braucht. Nicht „die anderen“ müssen sich ändern, ich muss es. Ohne diese Gewissenserforschung gibt es keine Einheit – in der Kirche und in der Gesellschaft. Doch wir brauchen nicht „traurig zu sein“, wie es der Schriftgelehrte Esra in der alttestamentlichen Lesung sagt. Die Einheit ist nicht allein unser Werk. Sie ist ebenso Geschenk vom Herrn. Je näher wir einander kommen, desto näher kommen wir Ihm. Und je näher wir Ihm kommen, desto näher kommen wir einander. Die Freude an ihm ist unsere Stärke. Amen.
23.01.2022, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler