Sakramentsandacht am 5. Sonntag der Osterzeit
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Predigt von Pfarrer Daigeler zum 5. Ostersonntag
Liebe Schwestern und Brüder im Herrn,
manchen Menschen fällt der Glaube schwer, weil Gott nicht sicht- und hörbar ist, wie es doch viele Dinge in dieser Welt sind. Dabei ist es freilich nicht so, dass wir uns nur von sicht- oder hörbaren Dingen beeinflussen lassen. Man muss das in diesen Tagen wohl nicht näher ausführen, dass ein für unsere Augen nicht sichtbarer Virus die ganze Welt durcheinander gewirbelt hat und es noch immer tut.
Nun werden Sie einwenden, dass aber im Gegensatz zu Gott doch dieser Virus immerhin mit Hilfe von Mikroskopen in tausendfacher Vergrößerung zu sehen sei. Das ist zutreffend. Nichts desto weniger ist unsere Herangehensweise – auch die der Medizin – über die Symptome, die das Virus auslöst. Wir beachten also vorrangig Wirkungen, die ausgelöst werden. Selbst bei den aufwendigen Tests werden Reaktionen gemessen…
Was hat das nun mit den Schrifttexten des heutigen Sonntags zu tun? Der fünfte Sonntag der Osterzeit denkt nach über die Schwelle zwischen der Zeit, in der Jesus sichtbar und greifbar mit seinen Jüngern unterwegs ist, und der Zeit, in der er nach seiner Auferstehung und Himmelfahrt ihnen eben anders nahe bleibt. Nun könnte eine erste Idee sein: Die Jünger haben sich dann eben an Jesus, an seine Worte und Taten erinnert. Sie haben vieles davon aufgeschrieben in den Evangelien und es so weitererzählt. Jesus ist also eine Art kollektives Gedächtnis eingegangen und lebt in der Erinnerung seiner Freunde fort…
Wenn das eine umfassende Beschreibung unseres Glaubens wäre, dann wären die wochenlangen Einschränkungen des Gottesdienstes kein besonderes Problem gewesen. Erinnern kann man sich überall – allein oder mit anderen. Doch unsere katholische Herangehensweise an den Glauben überschreitet ein bloßes Erinnern an Jesus. Es geht sozusagen auch um die „Reaktionen“ und „Wirkungen“, die er ausgelöst hat und heute noch auslöst. Sie machen ihn nämlich in unserer Welt „nachweisbar“.
In der Ersten Lesung aus der Apostelgeschichte hören wir von der Auswahl und Berufung von sieben Männern zu Diakonen. Einer von ihnen ist Stephanus. Jesus will in der „Greifbarkeit“ und Leiblichkeit des Sakraments bei uns bleiben. Darum bindet er sich an Menschen. Er beruft die Zwölf. Und die Apostel haben wiederum Männer zu Bischöfen, Priestern und Diakonen bestellt, damit der Zuspruch Christi, die Nähe Christi, die Berührung durch Christus in den Sakramenten leibhaft für die Menschen erfahrbar bleibt. Und so geschieht es in der Kirche bis zum heutigen Tag.
Der Weg Jesu ist nicht zu Ende mit seiner Auferstehung und Himmelfahrt. Er geht weiter – in seiner Kirche, durch seine Jünger, mit allen, die ihm nachfolgen. Das versucht der Herr dem Philippus im Evangelium zu erklären, der ihn fragt: „Wie können wir denn den Weg kennen?“ – „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben“, antwortet ihm Jesus. Die Bindung an Jesus, die Reaktion auf sein Wort und Beispiel sowie das Vertrauen auf die Wirkung seiner Gegenwart in den Sakramenten – das ist unser Weg. Der Weg zum Leben.
Das zu verkünden, das zu bezeugen, ist unser aller Auftrag als Getaufte. So ruft es uns die Zweite Lesung aus dem Petrusbrief zu: „Lasst euch als lebendige Steine zu einem geistigen Haus aufbauen“, zur Kirche Christi, zu „einer heiligen Priesterschaft“, die „dem Wort“ Christi „gehorcht“. Denn an der Wirkung, die Christus in meinem Leben hat, kann die Welt Gott erkennen. Amen.
10.05.2020, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler