Predigt von Pfarrer Daigeler zum 28. Sonntag im Jahreskreis B
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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, in verschiedenen Heiligenbiographien begegnet uns das heutige Evangelium als Zitat. Menschen lesen von dem jungen Mann, der auf der Suche nach dem guten Leben, nach dem ewigen Leben ist. Und sie finden sich in diesem Evangelium wieder. Junge Menschen suchen nach ihrem Weg. Dazu sind sie oft bereit große Herausforderungen und Opfer zu bringen. Sie wollen etwas bewegen, etwas verändern. Sind noch nicht so abgeklärt, „vernünftig“ oder gar träge, dass sie sagen: „Das hat doch eh keinen Wert…“
Diese Suche nach dem Großen, nach dem, was ich mit meinem Leben bewegen und erreichen kann, ist die eine Seite. Die andere ist, dass Jesus offensichtlich den jungen Mann herausfordert, noch einen Schritt weiterzugehen. Die Gebote Gottes sind eine wichtige, ja unverzichtbare Hilfe: Du sollst nicht stehlen, nicht töten, nicht lügen… Doch der christliche Glaube ist keine „Religion“ im engen Sinn, kein Moralinstitut, kein Regelwerk und keine Betriebsanleitung. Jedenfalls nicht im engen Sinn. Der christliche Glaube ist eine Beziehung. Gott hat sich gezeigt, indem er konkrete Menschen angesprochen hat. Gott hat uns in Jesus sein Gesicht gezeigt, damit wir ihn lieben lernen, damit wir mit ihm sprechen, damit wir seine Freunde werden. Und zu diesem Wagnis lädt Jesus den jungen Mann ein. Wörtlich hieß es beim Evangelisten Markus: Jesus sah ihn an, „umarmte ihn, und sagte…“ Erst steht die Beziehung, dann die Forderung. Und nur so können wir den christlichen Glauben verstehen.
Zahlreiche innerkirchliche und gesellschaftliche Diskussionen haben die umgekehrte Reihenfolge gewählt. Sie arbeiten sich ab an den Forderungen und Geboten des Christentums. Und sie meinen wenn man diese abschwächt oder anpasst, dann finden Menschen wieder zu Jesus. Doch jede menschliche Beziehung lehrt uns das Gegenteil. Erst steht die Liebe, die Begeisterung, dann die Arbeit und das Bemühen um die Form der Partnerschaft. Im Weisheitsbuch hörten wir, dass sich da jemand nach „Weisheit“ sehnt. Weisheit ist hier ein anderes Wort für Gott selbst, für seine Gegenwart, für sein Wort, das den Weg zum guten Leben weist. Dieser Mensch sehnt sich danach, er zieht die Weisheit „Zeptern und Thronen vor“, mehr „als Gesundheit und Schönheit liebte“ er sie, hieß es in der Ersten Lesung.
Erst diese Leidenschaft, diese Liebe, dieses Ergriffensein ebnet den Weg zum Glauben, zur Jüngerschaft. Jesus erklärt das noch einmal im Nachgespräch mit seinen Jüngern. Petrus sagt ja: Du weißt, Herr, „wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt“. Jesus weiß es. Und er versichert, dass jeder, der seine Hoffnung, ja sein Leben auf ihn setzt, nie leer ausgeht. Er findet in dieser Welt die Gemeinschaft der Freunde Jesu, er findet das, was er zum Leben braucht. Und er findet das ewige Leben.
Haben wir Mut, uns immer wieder auf diesen Weg einzulassen. Wir brauchen nicht die Gebote und Weisungen zu ändern oder abzuschwächen. Wir müssen die Sehnsucht nach dem lebendigen Gott wecken, die Sehnsucht nach der unerschöpflichen und bedingungslosen Liebe, die nur bei ihm zu finden ist. Wer Christus gefunden ist und wer es wagt, sich auf die Lebensfreundschaft mit ihm einzulassen, die wir Glauben nennen, der wird sich auch von Jesu Liebe zu einer immer größeren Liebe in seinem eigenen Tun und Handeln herausfordern lassen. Amen.
09.10.2021, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler