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Predigt von Pfarrer Daigeler zum Aschermittwoch

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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, heute vor 80 Jahren, am 22. Februar 1943, wurden Hans und Sophie Scholl sowie Christoph Probst in München wegen ihres Widerstands gegen das NS-Regime hingerichtet. Die Drei und weitere Studenten sind auch bekannt unter dem Namen „Weiße Rose“, den sie ihrer Gruppe gaben. Nach menschlichem Ermessen haben diese jungen Menschen ein aussichtloses Unterfangen begonnen. Sie wollten eine gottlose und menschenverachtende Diktatur ins Wanken bringen. Etwa zehn Studenten mit ihrem Professor, ein Vervielfältigungsapparat und einige hundert Flugblätter… Was soll das ausrichten gegen Spitzel, Polizei, Soldaten und schreiende Massen…?

Und doch erkennen wir im Zeugnis, das uns diese Märtyrer hinterlassen haben, etwas von der wehrlosen Macht der Wahrheit. Die Fastenzeit, die wir heute beginnen, lenkt unseren Blick auf den Gekreuzigten. Ein Blick, dem wir vielleicht gerne ausweichen. Für Krankheiten gibt es heute Spezialisten, für Leiden haben wir geeignete Einrichtungen, vom Tod will sowieso niemand hören… Aber wir kommen nicht umhin, auf das Kreuz zu schauen. Auch wenn es aus vielen öffentlichen und privaten Räumen verschwunden ist, bleibt es da, bleibt ER, der da an diesen Kreuz hängt: Jesus Christus, nach dem wir uns Christen nennen.

Die Fastenzeit ruft auf zur Konzentration auf das Wesentliche. Darum nennt Jesus ja im Evangelium: Fasten, Gebet und Almosen. Deshalb hören wir den Propheten Joel, der mahnt: „So spricht der Herr: Kehrt um zu mir von ganzem Herzen mit Fasten, Weinen und Klagen!“ Doch was ist dieses Wesentliche? Selbst in der Kirche herrscht darüber augenscheinlich keine Klarheit. Dieses Wesentliche ist nicht ein Wunder hier oder eine Erscheinung dort; es ist nicht die Uhrzeit oder Ortschaft des Gottesdienstes; es ist nicht die Struktur und Organisationsform der Kirche. Wer würde für irgendetwas davon seine ganze Existenz aufs Spiel setzen?

Die Mitglieder der Weißen Rose waren auf Umwegen zur Tiefe des christlichen Glaubens gelangt. Und zwar nicht als eine Frage unter vielen, auch nicht als eine Bitte, dass Gott sie aus diesem oder jenem Problem befreit… Sie haben begriffen: Gott ist die einzige Wahrheit. Er ist wirklicher als alle Dinge dieser Welt, die wir für real halten, weil wir sie sehen oder anfassen können. Darum haben sie ihr ganzes Leben auf diese unsichtbare Wirklichkeit Gottes gebaut und nicht auf die viel lautere, unübersehbare Wirklichkeit der Machthaber eben ihrer Zeit. Keinem von ihnen ist das leicht gefallen. Doch nur solche Zeugen vermögen es, uns die Kraft der wehrlosen Wahrheit Gottes verstehen zu lassen, die im Kreuz aufleuchtet.

Vielen erscheint der christliche Glaube als eine Geschichte von gestern oder als eine fromme Zutat zu dem, was sie ohnehin selbst für richtig halten. Der Aschermittwoch führt uns mit dem Aschenkreuz die Vergänglichkeit aller Sicherheiten dieser Welt vor Augen. Alles, auch die kostbarsten Dinge dieser Welt, ist vergänglich. Die Kraft des Evangeliums liegt nicht darin, unsere Tage auf dieser Welt zu verlängern, unsere Gesundheit zu verbessern oder ähnliches…Die Kraft des Evangeliums liegt im Kreuz, das sagt: „Wer sein Leben um meinetwillen verliert, der wird es gewinnen.“ Jesus selbst ist uns diesen Weg vorausgegangen und fordert uns zu dem Wagnis auf, ihm zu folgen. Die Fastenzeit lädt uns ein zu Fasten, Gebet und guten Werken, damit wir den Weg Jesu neu gehen lernen. Die Erneuerung der Kirche, das Überleben des Glaubens in unserer Heimat wird abhängen von Menschen, die vorbehaltlos auf Gott vertrauen. So wie Sophie Scholl, die aus dem Gefängnis schreibt: „Ich will mich an das Seil klammern, das mir Gott in Jesus Christus zugeworfen hat.“ Amen.

22.02.2023, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler

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